Die Zukunft des Mars (German Edition)
seine Tiefe entdeckte ich Smosmo und meine Mutter. Die beiden waren, ganz hinten im linken Eck, in die Hocke gesunken, um ein Fundstück zu betrachten. Es war ungewöhnlich groß. Twitwi und ich konnten, an den Rand der Grube getreten, fast über deren ganze Länge hinweg erkennen, dass es sich um einen schräg im Boden steckenden rostroten Pfosten handelte, fast hüfthoch und armdick, ein prächtiges Stück Stahl, wie man es nicht oft entdeckt. Meine Mutter legte ihre kleine Hand auf die runde Kuppe, ließ sie dort liegen, klopfte sogar immer wieder darauf, als wollte sie die Festigkeit des Pfahls oder seine durchgängige Dichte prüfen. Dennoch dachte ich keinen Moment lang, dass sich die beiden über das ausgegrabene Stück Altmaterial unterhielten. Stattdessen bildete ich mir ein, mein Lehrer und meine Mutter sprächen über mich, über den Dienst, zu dem ich in Bälde taugen könnte, oder über etwas, was bereits in der Vergangenheit versunken war, mich jedoch auf eine neu erstandene Weise betraf. Ich spürte, auch Twitwi glaubte dem allzu vordergründigen Gestenspiel, dem Betasten undBeklopfen des Pfostens nicht. Allein schon, dass sich ihre Brust, nun wo wir längst still dastanden, schneller hob und senkte als während des Marschierens, schien mir dies zu verraten.
Bald werkelten wir wie gewohnt mit. Twitwi und ich waren einem Steinbrecher zugeteilt worden, der begonnen hatte, einen riesigen Bittersalzbrocken so behutsam wie möglich zu zerlegen, damit das darin eingeschlossene Altmaterial, große Bruchstücke einer dünnen Kunststoffschale, keinen weiteren Schaden nahm. Die Arbeit war nicht schwer, aber sie verlangte doch unsere ganze Aufmerksamkeit, und der Steinbrecher hätte nicht geduldet, dass Twitwi und ich uns währenddessen über etwas anderes unterhielten. Am Abend war ich so müde, als hätte ich ein paar Stunden mit dem schweren Brecheisen und nicht mit dem Hämmerchen und dem kleinen Meißel gearbeitet. Ich legte mich früh aufs Bett und hörte noch, schnell in den Halbschlaf sinkend, wie meine Mutter sich vorne an der Rotsteinschüssel wusch.
Heute, wo mir die Kunde, die in den Heiligen Büchern aus Eurer Welt herüberklingt, mehr als nur einen Schleier von den Augen gezogen hat, staune ich über die Arglosigkeit meines damaliges Dösens, über die Geschwindheit, mit der ich aus dem Wachsein glitt. Den Weggang meiner Mutter bemerkte ich schon nicht mehr. Ich wachte erst wieder auf, als sie zurückkam und neben mir unter ihre Decke schlüpfte. Sie musste lange weg gewesen sein, denn ich fühlte mich frisch und ausgeschlafen. Die Zeit, während der ich dann noch neben meiner tief atmenden Mutter im Dunkeln lag, bevor draußen auf dem Flur der Weckgong erklang, bemaß sich auf eine geringe Zahl von Gedankenzügen, vielleicht waren es so wenige, dass ich ihren sprunghaften Gang bis an ihren Anfang, bis zum Erwachen durch die Rückkehr meiner Mutter, hätte zurückverfolgen können.
Am Morgen nach einer Mondgleiche gehen alle wie gewohnt an ihre Arbeit. Obwohl mindestens zwei Dutzend solcher Nächte in den Zeitraum fallen, in dem ich unsere Kolonie mit forschenden Augen beobachte, habe ich nie versucht festzustellen, wem am Folgetag das nächtlich Erlebte oder zumindest das Fehlen von hinreichend Schlaf ins Gesicht geschrieben steht. Zugleich weiß ich seit langem, seit ich irgendwann als Knäblein begonnen habe, mich als Denkenden und Wissenden zu verstehen, dass in diesen Nächten die Frauen und Männer in die Wassersteinhöhle hinunterströmen.
Wer es mir gesagt haben könnte, ist mir eben, obwohl ich mich erneut grübelnd mühte, nicht erinnerlich geworden. Die kleine Twitwi könnte es gewesen sein, womöglich hat sie es schon während des ersten, in meinem Zurückfühlen unglaublich langen Unterrichtsjahrs in aller kindlichen Unschuld am Werktisch herausgeplappert. Vielleicht hat sie mir diese Einsicht als Gegengabe geschenkt, weil ich ihr, der damals arg Verträumten, dabei half, einen Arbeitsrückstand im Bohren, Sägen oder Zusammenkleben aufzuholen. Während ich dies in Eurer Schrift niederschreibe, erscheint mir ein solcher Tausch, dem Seligen Tausch ähnlich und unähnlich zugleich, sogar die wahrscheinlichste Erklärung.
Auch damals, als wir uns der Grabungsstelle in der Bittersalzmulde näherten, kam es zu einem Wechsel vordergründig ungleicher, aber insgeheim doch gleichwertiger Gaben. Ich war es leid zu hören, wie Twitwi die ungenutzten Talente der dickschädligen Brüder
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