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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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rühmte, und beschloss dem Ganzen ein Ende zu machen, indem ich selbst etwas Freundliches über sie sagte. Auch mir sei aufgefallen, dass in ihren Augen, in ihrem Blick gelegentlich eine besondere Helle, eine erkennende Wachheit aufflackere, die wohl einfach noch nicht zum sprachlichen Ausdruck gekommen sei. Mehr musste ich nicht sagen, denn in diesem Moment erreichtenwir den Rand der Grube und sahen Smosmo, meine Mutter und den eisernen Pfosten, vor dem die beiden hockten. Twitwis Hand pendelte zu mir herüber und stupste die meine an, und dann hörte ich sie tief einatmen, heftiger Luft holen, als es den ganzen Weg über feinen, scharfkantigen Kies und zuletzt durch knöcheltiefes Bittersalz nötig gewesen war.
    Ach, da dergleichen bei Euch ein anderes Gewicht hat, eine Schwere oder Leichtigkeit, über deren Druck auf Euer Gemüt ich vergeblich mutmaße, will ich nun einfach hinschreiben, was schon einige Absätze lang seine Niederschrift verlangt: Als die dickschädligen Brüder den Notrufempfänger ins Sonnenhaus brachten, hatte ich die beiden bestimmt zwei, drei Jahre nicht mehr aus der Nähe betrachtet. Ihre Gesichter waren magerer geworden, wirkten dadurch länger, vor allem ihre Nasen schienen sich gestreckt zu haben, und die Ähnlichkeit mit einem dritten Antlitz stach mir so jäh, so ungedämpft schmerzhaft ins Bewusstsein, dass ich – zum ersten Mal und sogleich tief beschämt – froh war über Smosmos Tod.
    Und noch etwas will ich nicht ungesagt lassen. Vermutlich erwartet Ihr, dass ich, so gut ich kann, erzähle, was in den Nächten der Mondgleiche in der Wassersteinhöhle unter dem Ratsgebäude geschieht. Aber nicht einmal die zapfen- oder pfostenförmigen Auswüchse des Wassersteins könnte ich Euch aus eigener Anschauung beschreiben. Es gibt drei derartige Höhlen im Erkundungsbereich unserer Kolonie. Zwei liegen hinter den Faltenhügelchen, und seit ich Nothelfer bin, ist keiner unserer Trupps mehr so weit Richtung Norden gezogen. Die Höhle unter dem Ratsgebäude habe ich nie besucht, obwohl ich als Alleinwohner längst hierzu berechtigt, vielleicht sogar verpflichtet wäre.
    Stattdessen liege ich in den raren Nächten, in denen unsere Monde, erkennbar Kreis bei Kreis, am Himmel stehenund ihr Licht wie etwas Flüssiges tauschen, wach und finde bis zum Weckgong keinen Schlaf. Ich denke daran, wie Mirmirs in der Barmherzigen Schwester verschwundener Körper trotz seiner Zähigkeit und Gewandtheit und bei gleicher Größe ein für sie hoch ärgerliches Quäntchen schwächer als der meine war. Ich denke daran, wie Twitwi vor mir durch das Bittersalz stapfte. Und dann steht mir, im Gefolge dieser Bilder, unweigerlich vor Augen, wie meine Mutter damals, hinter der Karre der Steinbrecher, plötzlich mit einem energischen Ausfallschritt ihren grazilen Fuß zwischen Smosmos Galoschen setzte, und mir graut zugleich vor einem Umstand, der unter Euren himmlisch irdischen Umständen vermutlich nichts Schreckliches an sich hat.
    Ach, unser Kolonie ist zu klein, als dass sich zwei Männer, deren Lebenszeit sich überschneidet, niemals begegnen könnten. Man trifft sich. Man trifft sich unweigerlich. Man trifft sich mehr als nur einmal. Was würde es bedeuten, wenn mir im freien Gelände, in einem unserer Gebäude oder gar, die gnädige Sonne möge es verhüten, im Dämmer der Wassersteinhöhle derjenige Mann entgegenträte, dessen Züge, im nackten Tausch unserer Blicke, den meinen so gleichen wie Smosmos verschwundenes Gesicht den mager und lang gewordenen Gesichtern der dickköpfigen Brüder?

Siebte Schreibnacht
    E s ist so weit. Früher als erwartet und ohne ein warnendes Vorzeichen ist es dazu gekommen. Erneut drehe ich den Kopf zur Seite, als könnte sich der Dingbeweis doch noch wie ein Traum- oder ein anderes Trugbild aus der greifbaren Gegenwart verflüchtigt haben. Aber der ehrwürdig blankgeriebene, nur noch an seinem dünnen Ende orangefarbene Zeigestock lehnt weiterhin neben mir an der Wand, und obwohl ich ihn seit meiner Kindheit kenne, frage ich mich zum ersten Mal, wozu er den Siedlern einst gedient haben mag. Bei der Abendbesprechung hat die Barmherzige Schwester das mannslange Ding in meine Hände gelegt, schon morgen soll ich mit dem Tun, das er versinnbildlicht, beginnen.
    Nicht selten ist mir in den letzten Jahren bang vor diesem Tag gewesen, und so empfinde ich nun Erleichterung darüber, dass all das klamme Erwarten ein Ende haben durfte. Mit dem vorgeschriebenen Danksatz habe ich den

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