Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
halb fertige
Pappmodelle, verstreute Cutter und Stifte und überquellende Kartons, Regale und
Ablagen. Außerdem stolperte sie dauernd über irgendwelche Geschirr- und Wäscheberge,
wenn sie Frau Meyer aus seinem Bett holen wollte. Von den anderen, wahllos
verstreuten Dingen, den Wollmäusen und dem muffigen Geruch ganz zu schweigen.
Bis vor Kurzem musste sie im Flur sogar noch über Möbel und Umzugskisten
hinwegturnen. Neben der Tatsache, dass Jonas ihr immer noch keinen Impfpass
vorgelegt hatte, war das eine weitere Frechheit, die er ihr zumutete.
Warum hatte sie sich bloß von dem Typen
übertölpeln lassen? Darüber hinaus war es ein Unding, dass er sich bei seinem
Lebenswandel eine Dogge hielt. In den vergangenen drei Wochen hatte sie
feststellen müssen, dass Frau Meyer zwar lieb und treu wie Gold war, aber
leider auch einen ausgeprägten Sinn für Unsinn besaß.
Am Freitagmorgen reichte es Marie. Sie
klingelte Jonas um sechs Uhr früh aus dem Bett und stellte ihm ein Ultimatum:
„Das geht so nicht! Ich möchte den Impfpass bis Montag sieben Uhr vorliegen
haben, sonst bleibt dein Hund ab nächster Woche zu Hause. Willst du das?“
„Das ist jetzt nur eine rhetorische Frage,
oder?“
„Das ist mein voller Ernst.“
„Kein Witz?“
„Kein Witz.“
„Aber ich kann den Pass nicht finden, und ich
weiß sonst nicht, wohin mit dem Hund. Meine Mutter kann ihn nicht mehr
betreuen, weil sie Arbeit gefunden hat, und meine ehemalige Freundin ...“
„Das ist nun wirklich nicht mein Problem.“
„Aber wir haben doch einen Vertrag.“
„Den werde ich kündigen. Wenn du mir nicht
entgegenkommen willst, hab ich keine Lust mehr, dir aus der Patsche zu helfen.“
Danach beendete Marie das Gespräch.
Eine Stunde später brachte Jonas ihr den
Impfpass und den Hund persönlich vorbei. Als sie die Haustür öffnete, musterte
sie ihn. Ohne Jackett, Gelfrisur und Brille sah er ganz manierlich aus.
Eigentlich sogar mehr als das. Kaum hatte sie diese Tatsache registriert,
spürte sie auch schon eine Hitzewelle durch ihren Körper rollen. Sie startete
im Unterleib, bahnte sich ihren Weg durch Brust und Hals und landete
schließlich als Blutandrang im Gesicht. Aber das war nur die uralte
Mann-Frau-Geschichte, ein biologischer Vorgang, ein hormoneller Reflex, den sie
als Zoologin richtig einzuordnen und zu bewerten wusste und dem sie nicht allzu
viel Bedeutung beimaß. Ein paar Sekunden lang starrte sie sich noch an dem
Amulett fest, das Jonas an einem Lederband um den Hals trug. Dann kehrte sie
wieder die knallharte Geschäftsfrau heraus.
„Na bitte, geht doch“, sagte sie.
„Tut mir leid, das mit eben“, sagte er und war
angemessen zerknirscht oder tat zumindest so. „Es wird nicht wieder vorkommen.
Ich hab das Ding im Eisfach gefunden, zusammen mit meinen anderen Papieren. Ich
konnte es nur nicht gleich entdecken, weil es unter einer Packung Spinat
vergraben lag.“
„Hör mal, Jonas, ich mach so was nicht gern.
Das mit der Erpressung, meine ich. Aber in deinem Fall hab ich mir nicht mehr
anders zu helfen gewusst.“
„Das ist schon in Ordnung. Meine Mutter
behauptet immer, dass ich ohne Druck keine Ordnung in mein Leben bekomme, und
vermutlich hat sie recht.“
Nachdem dieser Punkt geklärt war und Jonas sich
verabschiedet hatte, konnte Marie den Freitag halbwegs gelassen beginnen.
Am Samstag schlief sie bis zehn Uhr, und weil
das Wetter so schön war, verbrachte sie den restlichen Tag mit Othello im Park.
Dort sprangen sie in der Mitte einer Rasenfläche hin und her und spielten
Stierkampf. Immer wenn der Hund Marie fast erwischt hatte, wenn er sie
spielerisch fassen wollte und glaubte, sie bereits in den Fängen zu haben,
hüpfte sie im letzten Moment mit wieselschneller Flinkheit zur Seite, sodass es
ihn mitten in der Verfolgungsjagd aus der Kurve trug und er über seine eigenen
Beine stolperte. Aber am Ende ließ sie ihn regelmäßig gewinnen, sodass er vor
Triumph japste.
So balgten sie herum, bis Marie faul und müde
wurde und sich ins Gras sinken ließ. Das war inzwischen zu einem festen Ritual
bei ihr geworden: hin und wieder mit Othello in den Park zu gehen, die Zeit
anzuhalten, alle viere von sich zu strecken und den Schwalben beim Dahinsegeln
zuzusehen.
Während sie mit ausgebreiteten Armen und Beinen
dalag und mit ihrem Blick in den Himmel eintauchte, scharwenzelte der Hund um
sie herum und gab sich mit vorgestrecktem Hals und geschlossenen Augen dem
Beschnüffeln der einzelnen Grashalme
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