Die Zwanziger Jahre (German Edition)
ranghöchsten Ligavertretern im Teamhotel wohnte und engen Kontakt zur Mannschaft hatte. Zu diesen Privilegierten zählt heute übrigens auch unser Ehrenspielführer Uwe Seeler, dem dieses Vorrecht anlässlich seines 70. Geburtstages im November 2006 gewährt wurde. Gerade Mayer-Vorfelder war bekannt dafür, dass er die Spieler gern zu später Stunde, wenn sie längst im Bett sein sollten, in Fachgespräche verwickelte, wobei, wie berichtet wurde, auch der eine oder andere Schoppen Rotwein geleert wurde.
Das kann kein Trainer gutheißen, weshalb sich zehn Jahre zuvor bereits der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts, der die Funktionäre am liebsten ganz von der Mannschaft fernhalten wollte, nachhaltig mit MV überworfen hatte. Auch in Portugal nahm Gerhard Mayer-Vorfelder als Delegationsleiter ganz selbstverständlich für sich in Anspruch, im Mannschaftshotel zu wohnen – mitsamt seiner Familie und dem allgemein wenig beliebten Referenten.
Ligapräsident Werner Hackmann war spürbar erbost, denn für ihn war es nicht nur eine Frage des persönlichen Prestiges, wie er als zweiter Mann in der Hierarchie behandelt wurde und welches Standing er genoss. Das wurde nämlich auch bei den Profivereinen genau beobachtet.
Gewiss konnten die Mitglieder der Beobachter-Delegation, zu denen auch ich zählte, nicht ernsthaft erwarten, der Mannschaft wirklich nahe zu kommen. Die Spieler mussten sich auf ihr Turnier konzentrieren, da blieb keine Zeit für Small Talk mit den Ehrenamtlern. Trotzdem: Die räumliche Trennung empfanden viele DFB -Funktionäre als deutliches Signal von MV , der ihre Anwesenheit offenbar für überflüssig hielt.
Manche hegten wohl auch überzogene Erwartungen an ihre Rolle im Gefolge des Nationalteams. Noch Egidius Braun hatte intensiven Kontakt zu ihnen gepflegt und ihnen einen Besuch im Mannschaftsquartier oder ein Treffen mit dem Bundestrainer ermöglicht. Ich spürte den Unmut, der sich breitmachte, und gemeinsam mit dem damaligen Generalsekretär Horst R. Schmidt gelang es mir, Gerhard Mayer-Vorfelder wenigstens für einen Besuch im Hotel der Delegation zu gewinnen. Doch auch das sorgte nur kurz für Entspannung.
Was viele Funktionäre als präsidiale Arroganz interpretierten, eskalierte beim zweiten Gruppenspiel unserer Mannschaft in Porto, das mit einem enttäuschenden 0:0 gegen Lettland endete. Den Teilnehmern der Beobachterreise waren nämlich Tribünenplätze im gleißenden Sonnenlicht zugeteilt worden. Sie wurden sozusagen ordentlich gebraten und schwitzten über alle Maßen.
Ein Stockwerk höher saßen der Präsident und sein Gefolge in der UEFA Lounge im Schatten, und mancher dort zeigte, wie gut es ihm erging. Das Schicksal der Ehrenamtler eine Etage tiefer schien dort nicht zu interessieren. Einige Delegationsmitglieder kochten buchstäblich vor Wut. Und vieles, was in diesen zwei Stunden gesagt wurde, war kaum druckreif. Viele erwarteten, dass man wenigstens der Gattin des Ehrenpräsidenten Egidius Braun einen Platz im Schatten anbieten würde. Aber für solche Gesten fehlte das Gespür. Rudi Völler war wichtig und die Mannschaft, sonst nichts.
Wenige Tage später erschien ein Interview, in dem MV nicht nur seine erneute Kandidatur als DFB -Präsident für den Herbst ankündigte – was normal gewesen wäre – , sondern auch verkündete, dass er eine weitere Amtszeit nach 2007 anstrebe. Eine vermessene Aussage, über die sich vor allem Hackmann bitter beklagte. Schließlich hätte es schon der Anstand verlangt, dass MV den Ligapräsidenten über solch weitreichende Pläne zumindest in Kenntnis setzte, bevor er sie hinausposaunte. Hackmann war aufgebracht. Und bei den anderen machte das Interview die Runde.
Die Verärgerung über Mayer-Vorfelder brauchte ein Ventil. Zu später Stunde trafen sich zahlreiche Vertreter der Landesverbände in der Hotelbar, um über die Lage zu beraten. Ich lag schon oben im Bett und ahnte nichts von den Putschplänen. Derweil war man unten entschlossen, sich von MV nicht weiter an die Wand drücken zu lassen.
An diesem Abend wurden sich die Landesfürsten einig, bereits im Herbst auf dem Bundestag, der alle drei Jahre stattfindenden DFB -Versammlung, für eine Veränderung an der Spitze zu sorgen. In entscheidender Rolle mit am Tisch saß mein 2009 verstorbener Freund Eduard Schneider aus dem Westerwald, der im Kreise der Landesvertreter hohes Ansehen genoss. Wie ich heute weiß, ist bei dieser Gelegenheit auch schon mein Name als Konterpart zu MV ins
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