Die Zwanziger Jahre (German Edition)
zeigen, woher welche Gelder stammen, wofür diese verwendet werden und dass es die Silos, in denen der DFB angeblich seine Millionen hortet, in Wirklichkeit nicht gibt. Auch wenn ein bekannter Wurstgroßhändler aus München diese Vermutung immer wieder lautstark äußert.
Doch für viele ehrenamtliche Funktionäre, deren tägliche Sorge dem Fußball an der Basis und seiner gesellschaftlichen Rolle galt, schien die Amtsführung des einstigen Berufspolitikers MV , der jahrelang als Präsident des VfB Stuttgart Millionensummen bewegt, teure Spieler verpflichtet und glücklose Trainer entlassen hatte, geradezu symbolisch für den Graben, der sich mit der wachsenden Kommerzialisierung zwischen dem Fußball der Profis und dem der Amateure aufgetan hatte.
Auch in der Zentrale des Verbands kehrte sich die Stimmung zunehmend gegen den Präsidenten, vor allem seit ihm der DFB ein eigenes Büro in seiner Heimatstadt Stuttgart eingerichtet hatte. Dort entwickelte sich eine Art Nebenregierung, die den Verband quasi von außen steuern wollte. Mayer-Vorfelders Mitarbeiter, allen voran sein intelligenter, ehrgeiziger Referent Jan Lengerke, der stets bemüht war, seinen Chef gut aussehen zu lassen, versuchten von Stuttgart aus, Einfluss auf die Vorgänge in den Direktionen des DFB zu nehmen, im Generalsekretariat, im Jugendfußball und vor allem in der Kommunikation – natürlich immer im Namen des Präsidenten. Dies führte unweigerlich zu Abstimmungsproblemen, und man braucht nicht viel Fantasie, um zu ahnen, dass die kompetenten und selbstbewussten Mitarbeiter des DFB von diesem Arrangement wenig begeistert waren.
In der Öffentlichkeit war es um das Image des Präsidenten nicht zuletzt wegen seiner politischen Vergangenheit als machtbewusster Kultus- und Finanzminister in Baden-Württemberg nicht zum Besten bestellt. Er machte auch als Fußballfunktionär kein Hehl aus seiner Herkunft und seiner politischen Neigung. Häufig wurde ihm vorgeworfen, Sport und (Partei-)Politik gnadenlos zu vermengen, was ich in meiner Amtszeit stets peinlich vermieden habe – obwohl auch ich eine politische Karriere hinter mir habe, und das in derselben Partei wie MV . Doch bei allen Differenzen: Das durchweg negative öffentliche Bild von MV habe ich mir nie zu eigen gemacht. Dazu habe ich ihn im Laufe der Jahre viel zu gut kennengelernt.
Aber hinter den Kulissen rumorte es schon vor der Europameisterschaft in Portugal. Dass und warum der Konflikt während dieses Turniers und danach mit voller Härte ausbrach, sagt einiges darüber aus, wie der größte Sportfachverband der Welt mit seinen mehr als sechs Millionen Mitgliedern und seinen unzähligen stolzen Ehrenämtlern funktioniert – nämlich eben nicht wie eine politische Partei, die sich im ständigen Kampf um Wähler befindet.
Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn unsere Nationalmannschaft, die ja immerhin zwei Jahre zuvor, wenn auch mit einer Portion Glück, Vizeweltmeister geworden war, in Portugal die Erwartungen erfüllt und mit entsprechenden sportlichen Erfolgen die Gemüter beruhigt hätte. Geblendet vom zweiten Platz in Japan und Südkorea, glaubten damals ja viele, der deutsche Fußball habe schon wieder Weltniveau erreicht und die Mannschaft werde bei der EM ganz vorn mitspielen. Eine böse Selbsttäuschung, wie sich zeigen sollte.
Doch nicht nur der Rumpelfußball unserer Mannschaft sorgte für schlechte Stimmung in Portugal. Es knisterte auch zwischen dem Präsidenten und den ehrenamtlichen Mitgliedern der Beobachter-Delegation. MV s Vorgänger Egidius Braun hatte vor der WM 1994 , als sich die Kassenlage des DFB spürbar besserte, die Sitte eingeführt, verdiente Ehrenamtler aus dem DFB -Vorstand sowie den Landes- und Regionalverbänden zu den Länderspielen einzuladen.
Zum einen wollte Braun den Landesfürsten, wie sie bisweilen nicht nur spöttisch genannt werden, damit einen Gefallen tun, zum anderen hatten sie auch Aufgaben zu erfüllen: Gespräche führen, Stadien und Verkehrssituation prüfen, Kartenverkauf und dergleichen studieren, was ja gerade in Portugal im Hinblick auf die anstehende WM in Deutschland zwei Jahre später nützlich sein konnte. Aber für die meisten, so ehrlich muss man sein, ist das eher eine sportliche Vergnügungsreise, bei der der Fußball im Vordergrund steht.
Bis Jürgen Klinsmann den DFB durcheinanderwirbelte, war es selbstverständlich, dass die offizielle DFB -Delegation mit dem Präsidenten, dem Generalsekretär und den zwei
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