Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
konnten. Allerdings wusste er von seinem Vater auch, dass dieser schon immerzu für Überraschungen gut war und allzu gerne neue, ungewöhnliche Wege und Orte erkundete und auch gegenüber Gefahren und Abenteuern, die damit möglicherweise verbunden waren, nicht abgeneigt war. Dies hatte sich auch mit seinem vorgerückten Alter nicht geändert.
Kaum mehr als eine Stunde nach ihrem Aufbruch hatten die Ausgerittenen jedoch nicht sehr angestrengt suchen und keine ausgefallenen, unzugänglichen Pfade erklimmen müssen, wie sie bereits erwartet hatten. Denn das, was sie zu finden suchten, offenbarte sich ihnen plötzlich und in erschreckender Weise geradewegs vor ihren Füßen.
Am Rande eines breiten Weges, eines der Hauptwege in Richtung Osten, der auch zum Norda-Por und damit nach Nordamar führte, saß, mit dem Rücken an einen großen Stein gelehnt, Loktai. Er war allein, sein Schwert ruhte auf seinen ausgestreckten Beinen, und sein Kopf war nach vorne gekippt.
Der Häuptling war tot.
Bullwai hatte sich als erster von seinem Pferd zu ihm hin gestürzt und hatte verzweifelt versucht, ihm durch andauerndes Zureden und heftiges Schütteln ein Lebenszeichen abzuringen. Gleichwohl waren alle Bemühungen vergebens geblieben.
Erst nach einer Weile war den Orks aufgefallen, dass der Hinterkopf ihres Anführers eine großflächige, klaffende Wunde aufwies, die offenkundig die Todesursache darstellte. Sie war bereits soweit verkrustet gewesen, dass man annehmen konnte, dass der Zeitpunkt des Unglücks mehrere Stunden zurücklag.
Während der Sohn des Aufgefundenen bei dem Leichnam zurückblieb und immer wieder Vord, das orkische Wort für „Vater“, intonierte, waren seine Begleiter mit gezückten Schwertern ausgeschwärmt. Sie hielten Ausschau nach Feinden, welche möglicherweise noch in der Nähe waren, und zudem nach ihren fünf weiterhin vermissten Stammesbrüdern. Doch es erwies sich als zu dunkel, um etwas Verborgenes zu finden, sodass keinerlei Spuren, welche auf die Anwesenheit von weiteren Personen hinwies, gefunden werden konnten. Schließlich begann man, die Namen der Verschollenen laut in die von drückender Stille erfüllte Nacht hinauszurufen. Die einzigen Antworten aber, die daraufhin zurückschallten, waren das Rascheln von kleinen, durch den zu dieser späten Stunde ungewohnten Lärm aufgeschreckten Tieren sowie das leise, sich an den benachbarten Felsen brechende Gurren des Windes.
Zutiefst niedergeschlagen und mit schlimmem Wehmut erfüllt, hatten die Ashtrogs den toten Häuptling auf ein Pferd gehievt und ihn notdürftig festgebunden, woraufhin dessen Sohn dahinter in den Sattel stieg. Auf diese Weise mit einer schweren Last gepeinigt, hatte man den Trab zurück in die heimische Siedlung vollführt, während Bullwai von seinem Vater einen langsamen, unsagbar schmerzvollen Abschied nahm. Endlich im Dorf angelangt, hatte der Suchtrupp die gesamte Bevölkerung noch erwacht, wartend und bangend vorgefunden, und entsprechend groß war die Bestürzung über das gewesen, was es zu berichten galt.
Loktai war ein ausgezeichneter, in jedweder Hinsicht vorbildlicher Häuptling gewesen, der die Ashtrogs mit Entschlossenheit, Geschick und Weitsicht durch die Härten des Lebens, welche die Bewohner Dantar-Mars auf eine stetige Probe stellten, geführt hatte. Sowohl unter seinen eigenen Leuten wie auch bei den Angehörigen anderer Stämme hatte er sich beachtlichen Respekt erworben, und mehr konnte von einem Ork nicht erwartet werden.
Wie es orkischer Brauch war, wurde das Oberhaupt des Clans noch in derselben Nacht durch eine Verbrennungszeremonie verabschiedet. Der Schamane Tendarr hatte einige uralte Beschwörungsformeln zelebriert, und alle der Versammelten brachten ihre große Anteilnahme zum Ausdruck. Orks weinten nicht, so sagte man, und doch straften in jenen unendlich lang erscheinendenMomenten etliche feuchte Augenränder diese weit verbreitete Ansicht Lügen. Es waren Gefühle größtmöglicher Schwermut und Niedergeschlagenheit, welche die Stammesangehörigen empfanden, und auch wenn sich keiner der ihren zu bitterer Klage herabließ und sie ihre Trauer nicht offen zeigen mochten, war doch unübersehbar, was sich in ihrem Innern regte. Dies besagte sehr viel, denn Orks waren für ihre Leidensfähigkeit bekannt.
Gegen Ende der Zeremonie murmelte Ogrey, der alte Freund und Weggefährte des Toten, einige Worte vor sich hin, die nur wenige – unter denen sich Bullwai befand – vernahmen und die in
Weitere Kostenlose Bücher