Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
späterer Zeit keiner zu wiederholen wagte. „Gord mush an zarrth!“ * , sprach er leise vor sich hin. Es war schwer zu sagen, ob ihm dies ungewollt entfuhr oder aber durchaus für die Ohren der Umherstehenden und insbesondere Bullwais bestimmt war. Auf jeden Fall war jener Satz nach orkischer Anschauung geradezu ungeheuerlich, denn seit jeher waren die Orks in ihrer Achtung und ihrem Gehorsam gegenüber dem Einen unerschütterlich. Obgleich sie sich selten mit Gebeten an ihn wandten, da sie in ihrer Mehrheit glaubten, der Schöpfer beobachte zwar die Lebenden, mische sich jedoch nicht in deren Angelegenheiten ein.
Letztlich geschah es, dass Bullwai mit dem Augenblick von Loktais Tod den Traditionen gemäß zum neuen Häuptling der Ashtrogs geworden war, ohne dass man sich hierzu, wie bei anderen Völkern üblich, langer Feierlichkeiten und Prozeduren bediente. Es war eine Pflicht und Verantwortung, die ihn völlig unerwartet traf und so schwer wie ein Berg aus Granitfels auf seinen Schultern lastete.
Die Umstände des Ablebens seines Vaters konnten derweil bis zum gegenwärtigen Tag nicht geklärt werden, da auch eine weitere Absuche der schicksalhaften Gegend – die man dieses Mal bei helllichtem Tag durchführte – keine neuen Erkenntnisse brachte. Einige meinten, dass möglicherweise umherstreifende Oger für die Tat verantwortlich waren, doch waren bekanntlich seit vielen Lebzeiten keine Angehörigen dieser Rasse mehr in Dantar-Mar gesichtet worden. Das gleiche galt für die in Erde und Stein wühlenden Ghuls sowie die grässlichen, geflügelten Harpyien, die man auf dem südlichen Halbkontinent ohnehin nur vom Hörensagen her kannte, sowie andere für ihre Boshaftigkeit berüchtigte Kreaturen. Auch für die Anwesenheit von Menschen gab es nicht den mindesten Anhalt.
Andere gaben der Vermutung Ausdruck, dass Loktai nicht durch einen Hieb, sondern einen unglücklichen Sturz getötet worden war, was man anhand der Art der sichtbaren Verletzung nicht ausschließen konnte. Doch blieb die Frage unbeantwortet, was dann mit seinen fünf Begleitern geschehen war. Waren sie in Panik geraten und geflohen, vielleicht da sie fürchteten, man würde ihnen die Mitschuld am Tod ihres Anführers geben? Oder aber waren sie allesamt von einem Rudel hungriger Warge, jener großen, in den Bergen Dantar-Mars heimischen Wolfsart, angegriffen und getötet worden, während Loktai zunächst die Flucht glückte, er aber dann in dem unwegsamen Gelände zu Fall kam?
Nach einigen Wochen hatten die Ashtrogs schließlich frustriert aufgehört, sich über die Tragödie weiterhin die Köpfe zu verbrechen, da es allmählich an der Zeit war, sich wieder den Geschehnissen und Anforderungen der Gegenwart zuzuwenden.
Bullwai, der seine Mutter Karna niemals kennen gelernt hatte, da sie bereits bei seiner Geburt verstorben war, verlor damals unerwartet auch seinen geliebten Vater und nächsten Angehörigen. Trotz der Zurückgezogenheit, die er seit jenen Tagen pflegte, entwickelte er sich bald zu einem Führer des Clans, der ähnlich geachtet wurde wie Loktai ehedem, denn er war mutig, verlässlich, gerecht und voller Aufrichtigkeit. Darüber hinaus wurden seine stark ausgeprägten Fähigkeiten mit dem Schwert mit hoher Anerkennung bedacht, denn bekanntlich waren Kampf,Wettstreit und Kriegshandwerk mit der Geschichte der Orks Dantar-Mars geradezu untrennbar verbunden.
Rechts neben dem Häuptling saß Panca, die nur ein Jahr jünger war als er und noch von seinem Vater in den Rang einer Befehlsgeberin erhoben worden war. Damals wurde anfangs gemutmaßt, dass es wohl einfach eine fixe Idee von Loktai war, eine weibliche Stammesangehörige mit jener frei gewordenen Position zu betrauen, oder aber dass er auf diese Weise die Verbindung zwischen seinem Sohn und der attraktiven Orkin in die Wege leiten wollte, denn fürwahr hatten Bullwai und Panca bereits seit vielen Jahren ihr Gefallen füreinander entdeckt und viel Zeit miteinander verbracht. Nach ihrer Berufung brauchte Panca jedoch nicht sehr lange, um alle, die an ihrer Eignung zweifelten, eines Besseren zu belehren, denn allzu leicht machte sie ihre gegenüber ihren männlichen Artgenossen mangelnden Kräfte durch Gewandtheit, Schnelligkeit und Finesse wett. Hinzu trat, dass sie in allen Dingen, mit denen sie sich auseinander setzte, ein hohes Maß an Entschlossenheit, Fleiß und Mut zeigte, sich für keine Anstrengung zu schade war und sich jedweder Streitsituation unerschrocken
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