Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
fand, an einen weisen Zauberer erinnerte. Und tatsächlich war der Zwerg, dessen Schultern sich im Vergleich zu seinen Tischnachbarn eher schmal und zierlich ausnahmen, nicht nur der Kopf einer Sippe, die für ihre Begabung in der Edelsteinschleiferei, im Handel und der Kaufmannskunst berühmt war, sondern auch seit langem schon der engste Berater des Königs, der ihm, wie man sagte, blindlings vertraute.
Als die beiden Eingetretenen sich an dem Tisch niederließen, erbebte der Boden vom Rücken der schweren Stühle, obgleich die darunterliegenden und vom Zahn der Zeit angenagten Marmorplatten von einem stattlichen, roten Webteppich bedeckt waren. Danach breitete sich Stille aus für einen Augenblick.
„Mögen sich Eure Bärte niemals lichten!“, begann Braccas anschließend zu sprechen, da er die Vermutung hegte, dass man von ihm als Menschen nunmehr eine Begrüßung erwartete. „Die Ehre, von Euch in Euren Hallen empfangen zu werden, ist wahrlich groß, Bragi Stahlhammer, König von Gâlad-Kalûm. Und umso wohler tut die Freundschaft zwischen unseren Völkern, da dieser Tage die Not in meiner Heimat groß ist, wie Dwari, Euer Vetter, Euch gleich berichten mag.“
„Ich sehe, Ihr kommt nicht ohne Grund, Braccas Rotbart, menschlicher Wanderer und Pferdefreund“, sagte Bolombur, der ein Stück links des Königs saß, mit einem Mal. „Warum kommt Ihr nicht gleich zur Sache und tragt Euer Anliegen selbst vor, statt Euren Freund voranzuschicken? Und sicher würde es uns allen wohlgefallen, wenn Ihr Euch kurz fassen würdet, denn wir Gebirgsbewohner sind fleißige und vielbeschäftigte Leute und haben nicht so viel Zeit wie manchereins, um wahllos durch alle Herren Länder zu reisen und obendrein andere in ihre höchst unfeinen und sinnlosen Abenteuer mit hineinzuziehen.“
Der Zwerg, der soeben gesprochen hatte, war ähnlich groß wie Bragi, und damit etwas höher an Statur als Dwari oder Mellwin, und außerdem sehr dick und schwergewichtig. Seine Kleidung strotzte nur so vor protzigem Reichtum, denn sie wurde geziert von allerhand Edelmetallen und Juwelen, von denen viele an Broschen und Spangen saßen, sowie Borten und Zierbändern. Der Bart vor seinem aufgequollenen Gesicht war lang und gegabelt, wobei die beiden Enden kunstvoll geflochten waren und wie Seile vor seinem umfangreichen Bauch baumelten. Sein Ton war aus Gewohnheit bärbeißig und geringschätzig gegenüber allen anderen, die ihm an Rang und Status nicht wenigstens gleichkamen. Und von jenen gab es nur sehr wenige, denn er war das Oberhaupt der Sippe von Umbur Silberzahn, die für ihre Gier nach Schätzen, ihre Hingabe an das Schürfen von Gold und Silber und darüber hinaus für ihre Fertigkeit in der Schmiedekunst berüchtigt war.
„Vielleicht sollte uns Dwari zunächst einmal berichten, was er während seiner Abwesenheit so alles erlebt hat. Das dürfte uns alle interessieren, wie ich meine“, sagte Mellwin, ehe Braccas oder Dwari, die beide ein erzürntes Gesicht machten, zur Maßregelung des dicken Zwerges ansetzen konnten.
„Nun gut. Aber da ich von meinem rotbärtigen Freund ja nur vorangeschickt wurde, will ich mich kurz fassen“, sagte Dwari und versuchte, dabei möglichst beleidigt zu klingen. Wer allerdings das Entzücken der Zwerge kennt, wenn es gilt, Geschichten zu erzählen – insbesondere solche, in denen sie selbst eine Rolle spielen –, der kann sich ausmalen, dass dies nur das knappe Vortun für einen Redefluss war, der anschließend nur noch schwer zu bremsen sein würde.
Dwari begann mit seiner Zusammenkunft mit Arnhelm und Braccas vergangenen Frühling in Luth Golein und deren Fragen nach Radament, dem Verrufenen. Danach erzählte er in aller Ausführlichkeit von Lemuria und Pír Cirven und Kherons Hof im Torindo Isa Nuafa, da er wusste, dass alle Anwesenden besonders für die Schilderung der dortigen Reichtümer und Kostbarkeiten Interesse empfanden. Eine noch größere Anspannung unter seinen Zuhörern herrschte nur, als er hernach von ihren Erlebnissen im Milmondo Mirnor und ihren Begegnungen mit den Ghuls und den Bergriesen berichtete. Aber auch die Wanderung der Gemeinschaft durch den Ered Fuíl, der für die Zwerge so furchteinflößend wie nur wenige andere Orte wirkte, und durch die Waidland-Moore eignete sich für einige spannende Ausführungen.
Braccas unterbrach seinen Freund zu keinem Zeitpunkt, auch nicht, als dieser hin und wieder zu Übertreibung neigte und von ganzen Heerscharen von Feinden und
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