Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
für seine Tat zugeführt zu werden!
Dann aber gelang es Obron doch, einen gezielten Kniestoß zum versehrten Bein des Widersachers zu landen, woraufhin dieser aufstöhnte und seine Umklammerung augenblicklich lockerte. Ein weiterer erfolgreicher Angriff gegen die gleiche Stelle folgte nach, und als er sogleich darauf mit seinem linken Ellbogen gegen das Kinn Beregils schlug, ließ dieser endlich von ihm ab, stürzte nach hinten und fiel mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden.
„Du wirst deiner gerechten Strafe nicht entgehen, Schändlicher!“, sagte der einstige Oberkommandierende Lemurias zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor. „Solch ein Frevel wird nicht unerkannt bleiben, und sei es, dass dieser dich erst zu einer späteren Zeit einholt, dann nämlich, wenn du dich lange genug gegrämt hast in deiner Schuld!“
Mit einem Ausdruck von Verwirrtheit und Wahnsinn im Gesicht kam Obron ohne größere Hast näher und kniete sich nieder, sodass er an der Seite seines langjährigen Vorgesetzten, der nunmehr jeden Widerstand aufgegeben hatte, zum Hocken kam. Dann erhob er seinen bereits mit frischem Blut gemarkten Dolch und öffnete seinen Mund, wohl um eine letzte Erwiderung auf die Anklage, die man gegen ihn erhoben hatte, zu sprechen.
Die Worte, die er auszusprechen beabsichtigte, wurden ihm jedoch noch in der Kehle erstickt.
Unversehens waren Merian und Coentia in das Gemach Kherons getreten, da sie sich nicht weit entfernt davon aufgehalten hatten und auf die ungewohnten Geräusche aufmerksam geworden waren. Mit ihnen war Ragnald gekommen, der junge Mann, den Beregil am Vorabend der Schlacht gegen Durotar hinter den Zinnen der Großen Mauer kennen gelernt hatte und der mittlerweile zu seinem Schüler und Mündel geworden war. Der Soldat, der aus einer Handwerker familie entstammte und erst kürzlich in den beruflichen Wehrdienst Lemurias eingetreten war, hatte den einstigen Oberkommandierenden an diesem Tag auf dem Weg zum König begleitet und ihm ebenso zur Aufmunterung wie als Stütze gedient. Nun, da er erkannte, welch schlimmes Geschehen sich zutrug, handelte er mit der blitzartigen Auffassungsgabe seiner Jugend, indem er seinen eigenen Dolch hervornahm und diesen dem Mörder, der gerade dabei war, eine zweite unverzeihliche Tat zu begehen, schwungvoll in den Nacken warf.
Unter den bestürzten Blicken der beiden Frauen brach Obron in ein überraschtes und beklagenswertes Gurgeln und Röcheln aus und ließ die Waffe, die er soeben niederzusenken beabsichtigt hatte, kraftlos fallen. Beregil nutzte unterdessen die Gelegenheit, stieß den Angreifer von sich und mühte sich im Folgenden, sich aufzurappeln. Der Heeresmeister mit dem blanken Schädel aber stürzte mit einem dumpfen Poltern auf den Untergrund und rührte sich nicht mehr. Seine geweiteten, von Feuchtigkeit glänzenden Augen waren hervorgetreten und riefen in einer stummen Weise zu Milde und Erbarmen auf. Obgleich die Tragweite seines Handelns bedingte, dass jegliche Reue und Wiedergutmachung unweigerlich zu spät kamen.
Als nächstes geschahen viele Dinge gleichzeitig. Beregil hieß Ragnald, nach allen Ärzten und Heilern zu suchen und zu schicken, die zu finden waren. Er selbst bewegte sich humpelnd zu seinem König hin und versuchte, diesem seine eigenen, bescheidenen medizinischen Kenntnisse zukommen zu lassen. Allerdings hegte er, als er den erschlafften Leib des alten Mannes und den beträchtlichen Blutverlust, den dieser erlitten hatte, erkannte, wenig Hoffnung, dass eine Wendung zum Besseren noch möglich war. Kheron war Aidan nachgefolgt in das Reich, dessen Pforten allen Lebenden verschlossen waren und das alle Menschen, und die meisten anderen Lebewesen ebenso, doch früher oder später bereisen mussten.
Die Gattin des Herrschers erblasste und erkaltete wie zu einem weißen Leichentuch, in das die winterliche Kühle Frost getrieben hatte. Sie brach zusammen in den Armen ihrer Tochter, und Merian fühlte, dass Coentias Herz nur noch sehr vage schlug. Selbst an ihrem ganzen wunderbaren Körper zitternd, schaute sie sich um, so als müsste doch irgendjemand da sein, der ihr beistünde in ihrer Not. So oft hatte sie sich gewünscht, einer größeren Verantwortung gerecht zu werden, als bloß die das Heim hütende Gemahlin irgendeines bedeutsamen Mannes zu sein. Und nun, da ihre Stärke gefragt war, fühlte sie sich verloren und wünschte sich Arnhelm, ihren Geliebten, der seine schützenden Arme um sie ausbreitete, so sehnlich
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