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Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)

Titel: Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger de Grandpair
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Mondlichts fiel durch das Fenster herein und zeigte, wo sein Strahl den Schein der Deckenleuchte traf, Staubwolken auf dem holzgetäfelten Boden aufwirbeln. Ein Stück darüber fingen sich Lichtfunken auf der tödlichen Schärfe des leicht gekrümmten Stahles der Waffe, die Obron in Händen hielt, und glitzerten tückisch.
    „Verzeiht mir, Kheron, scheidender König eines vergehenden Reiches!“, sagte er spöttisch. Hernach setzte er dem Herrn des Torindo Isa Nuafa den Dolch mit beiden Händen an die Brust, zögerte kurz – mehr um Maß zu nehmen, als dass er über die Durchführung seiner Absicht ein letztes Mal nachsann – und stieß schließlich zu.
    Der alte König, der Sohn von Adumon und Ifara, zeigte nicht die leiseste Gegenwehr und auch sonst kein Anzeichen, dass er mit jenem Lauf der Dinge in Zwiespalt stand und mit ihm unzufrieden war, wenn er denn überhaupt noch etwas wahrzunehmen in der Lage war. Die spitz zulaufende Klinge drang in sein Herz, fand dieses sich geradezu sehnend nach dem Tod vor, und hatte ihr Werk bald vollendet.
    Kheron von Lemuria starb leise und rasch, nicht auf dem Schlachtfeld mit dem Schwert in der Hand und auch nicht auf dem Sterbebett, sondern sitzend in seinem ihm liebsten Stuhl, gemeuchelt von einer Natter, die er an seinem Busen genährt hatte.
    „Was hast du getan, Wahnsinniger?“, schrie plötzlich eine Stimme, schwanger vor Entsetzen. „Hat dein Ehrgeiz dich zu einem Meuchelmörder an einem alten Mann werden lassen, oder hat der Feind dich bezahlt für deinen Verrat?“
    Obron zuckte zum Fenster zurück, die blutige Waffe in der zitternden Hand haltend. Sein Plan hatte vorgesehen, dem toten König den Messerschaft in die Hand zu legen, um das Geschehen als einen schlimmen, doch nicht ganz unerwarteten Selbstmord erscheinen zu lassen, für welchen er selbst keine Verantwortung trug. Und ausgerechnet Beregil, sein einstiger Vorgesetzter, der seit der jüngsten Schlacht am linken Bein verkrüppelt war und der ihm seine Fürsprache bei der Vergabe des Postens des Oberkommandierenden bislang verwehrte, erwischte ihn nun bei seinem schändlichen Treiben! Angst und Scham mischten sich in dem kahlköpfigen Offizier, schnürten seine Kehle zusammen wie der Strick des Henkers bei einem Verurteilten und ließen ihn wissen, dass er wie ein verzweifeltes Tier in die Ecke gedrängt war und für ihn einzig noch der Versuch eines letzten Angriffs blieb.
    Der große, hagere Mann mit dem lichter gewordenen, dunklen Haar und den silbrig-ergrauten Schläfen musterte Obron mit steifer, sehr ernstlicher Miene. Er wirkte wie ein Ausbilder oder Lehrmeister, der gerade im Begriff war, einen jungen Rekruten für ein mehr oder minder schweres Vergehen zu tadeln. Seine unübersehbare Behinderung an dem linken Bein, das er wie einen Fremdkörper nachschleifte, verhinderte jedoch, dass er in vollem Maße bedrohlich daherkam. Auch hatte seine eigene Verblüffung über das schreckliche Ereignis, das er mit eigenen Augen zu sehen gezwungen war und das er noch immer kaum glauben konnte, dazu geführt, dass er zunächst verharrte und nicht daran dachte, nach Hilfe zu schicken. Zudem führte er, da er offiziell in den Ruhestand getreten war, keine Waffe mit sich, mit der er den offensichtlichen Attentäter hätte beeindrucken könne.
    Mit gefletschten Zähnen wie ein von Tollwut gebeuteltes Wildtier stürzte Obron nach vorne und griff den anderen, hochdekorierten Offizier an. Beregil kamen seinerseits die Reflexe zugute, die ihn als jungen Soldat ausgezeichnet hatten. Er warf sich nach rechts, ließ den Angreifer mit dessen Dolch ein Luftloch stechen und schlug ihm mit der Faust gegen das linke Ohr. Der Getroffene heulte auf wie ein getretener Hund und führte als Antwort auf die Gegenwehr einen seitlichen, kreisförmigen Hieb mit seiner scharfen, blutbesudelten Klinge. Der Ältere der beiden jedoch machte einen beherzten Schritt nach vorne, entging der Stoßrichtung des tödlichen Stahles und begann den anderen mit beiden Händen zu umklammern. Dabei glückte es ihm, sowohl den rechten Waffenarm des Gegners gepackt zu halten, als auch dessen Kehle und Kinn zu ergreifen und kraftvoll nach hinten zu drücken.
    Eine erbitterte, krampfhafte Rangelei kam in Gang, und mehr als einmal war der kleinere und jüngere der beiden Kontrahenten kurz davor, den Halt zu verlieren und zu Boden zu stürzen. Welche Schmach wäre es wohl, auf diese Weise von einem alternden Kriegskrüppel niedergerungen und der Strafe

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