Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
herbei wie noch selten zuvor.
Dann stürmte ein ganzes Heer von Menschen in den Raum hinein, wie eine Flut, die auf ihren schäumenden Wellen Fürsorglichkeit im Überfluss mit sich trug. Die zahllosen Wachen, Diener und Heiler des Wolkenturms bildeten sogleich Trauben um Kheron, Coentia, Merian, Beregil und Obron, den Königsmörder, und ließen den jeweiligen Personen jegliche Hilfe angedeihen, die ihnen möglich war. Über ihnen flackerten die Flammen des Lüsters im Sog und warfen eine gemusterte, hin und her wandernde Helligkeit auf Wände, Holzboden und Teppiche. Das abendliche Zwielicht, welches dazwischen hing, zeichnete die sich nur scheinbar sehr langsam zutragende Szene ein wenig weicher und unwirklicher, so als fände diese lediglich in einer schwankenden Traumwelt statt, die vergänglich war und bald einem unbekümmerten, untadeligen neuen Morgen weichen würde.
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Am Morgen nach der Schlacht, in welcher das vereinte Heer aus Zwergen und Menschen obsiegt hatte, standen die meisten der Angehörigen beider Völker auf dem Untergrund der Fürstenklamm und starrten mit zusammengekniffenen Augen in das Blendlicht der aufsteigenden Sonne hinaus. Unmittelbar zuvor hatte man dafür Sorge getragen, dass Dirath Lum, die verheerte Hauptstadt des Fürstentums, von jedermann verlassen worden war. Man hatte sich einerseits dazu entschieden, da die Gefahr von Stein- und Trümmerschlag dort zu groß war, und zum anderen, da man den Gestank der ghulischen Kadaver nicht länger ertragen wollte und die Erinnerungen an das wüste Gemetzel noch allgegenwärtig waren und nicht mehr genährt werden sollten. Aus diesem Grund hatten die Bewohner Rhodrims und die Kirin Dor den Abstieg in die darunter liegende Schlucht angetreten, wohl wissend, dass es eine Rückkehr in die vormals stolze Feste und deren abermalige Besiedelung niemals wieder geben würde.
Bald vor dem Eingang in die Klamm war man sogleich dazu übergegangen, ein stattliches Zeltlager für die nächsten Tage zu errichten. Die Bauern der nächstgelegenen Dörfer, die sehr froh waren über die Befriedung des Landes, kamen herbei, erboten kurzerhand ihre Hilfe und leisteten Nachschub an einfachen Speisen und Getränken. So kamen die müden Krieger zu derjenigen Ruhe, die sie benötigten, um die erlittenen Wunden und Verletzungen zu pflegen, ihre Kräfte von neuem wachsen zu lassen und sich Gedanken zu machen über ihre Lage, die sich trotz des jüngsten Erfolges wahrlich nur wenig verbessert hatte.
Kurz nach dem Mittag machte man sich daran, mit dem größten Maß an Würde und Aufwand, das unter den gegebenen Umständen möglich war, die Bestattung der Fürstin Rhodrims und des Königs Gâlad-Kalûms vorzunehmen. Nach zwergischem Brauch wurde der Leib eines Gefallenen der verzehrenden Kraft des Feuers überantwortet, nachdem man diesen auf eine Bahre gelegt hatte. Auf Seiten der Menschen beschloss man, jene eindrucksvolle Prozedur auch für Imalra anzuwenden, da die unter dem eingestürzten Fürstenpalast gelegenen Katakomben, in denen ihr Gemahl in seinem Sarg ruhte, nicht mehr zu erreichen waren und man keinen anderen Platz für eine geeignete Bestattung wusste.
So geschah es, dass man zwei große Haufen aus Holz und Reisig errichtete, in deren Mitte jeweils längliche Steinquader, die man mit kostbarem Gepränge zierte, platzierte und die möglichst schön und lebensecht aufbereiteten Leichname dort aufbahrte. Dabei bedeckte man den zierlichen Leib der Halbelbin mit ihrem Perlen-Gobelin, der ihr zeitlebens insbesondere deshalb so lieb und teuer gewesen war, da er das einzige Erbe und Erinnerungsstück ihrer jung verstorbenen Mutter Sinalwa war. Dies war nur deshalb möglich, da einige rhodrimische Wachen den kostbaren, mit Juwelen und Perlen bestückten Wandteppich zuvor aus dem Fürstenpalast gerettet und anschließend Arnhelm übergeben hatten. Dieser wiederum hatte keinen Augenblick damit gezögert, ihn seiner Mutter auf deren letzter Reise mit an die Seite zu geben.
Selbst nachdem das schwelende Feuer, das schließlich entzündet wurde, die beiden Körper knisternd in sich aufnahm, wirkten die beiden Verstorbenen noch so voll Majestät und Würde und Glanz wie nur wenige Wesen, die in Munda zu finden waren. Eine zutiefst traurige Feierlichkeit wogte derweil durch den Ort, der umfriedet war von hohem Fels, und doch wurden bei jedem der beiden Völker Schwermut und Leid durch das Beisein des jeweils anderen gemindert und in ein wenig Hoffnung
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