Die Zwei Schwerter, Band 3: Der Marsch der Zwerge (German Edition)
über die Lande flog oder wandelte. Den alten Überlieferungen zufolge waren sie wahrhaftig so alt wie die beiden Kontinente und von dem Einen dazu bestimmt, an seiner Stelle Wacht zu halten über seine Schöpfung. Und wenn man ihre Ehrwürdigkeit aus nächster Nähe gewahrte oder gar leibhaftig spürte, konnte man nicht umhin, dem Glauben zu schenken.
Geräusche, die sie an das Wiehern von Pferden denken ließen, erklangen und rissen die auf so ungewöhnliche Art Reisenden aus ihren unwirklich anmutenden Gedanken. Dazu passend, stellten sie fest, dass die Greife in einen gleitenden, in weiten Bahnen verlaufenden Sinkflug übergegangen waren und sie am Fuß der Bergflanke einige rasch größer werdende, sich hektisch bewegenden Gestalten wahrnahmen. Es waren im Ganzen sechs hochgewachsene Reittiere, die sich durch das Nahen der geflügelten Wesen offensichtlich erschreckt hatten, und dazwischen befand sich ein einzelner Mensch.
Ulven.
Mit einem in vielen Jahrtausenden geschulten Augenmaß und einer Sanftheit, die man ihnen aufgrund ihrer massigen Leiber kaum zutraute, setzten die enormen, adlerähnlichen Geschöpfe auf den steinigen, von staubigem Sand benetzten Boden auf. Der erste der Fluggäste, der daraufhin auf den im Schatten der nahen felsernen Erhebungen liegenden Untergrund hinabsprang, war Marcius, der junge rhodrimische Soldat mit den schwarzen, gelockten Haaren.
„Ulven, mein guter Freund! Wie ist es dir ergangen?“, fragte er außer sich vor Wiedersehensfreude und lief eilig auf den Landsmann zu. Beide fielen sich in die Arme und drückten sich für einen Moment Brust an Brust, woraufhin die anderen von dieser freudigen Szene berührt wurden.
„Das sollte ich vielmehr Euch fragen, denn meine Taten und Nöte waren zweifellos weitaus geringer als die Eurigen, wenn auch die Sorgen, die ich mir Euretwegen machte, mit jeder Stunde Eurer Abwesenheit bis ins Unermessliche wuchsen.“
„Wieso begrüßt du mich niemals so, wenn ich von der Jagd zurückkomme? Weißt du, manchmal könnte ich dich fast für herzlos halten und überlege, ob ich nicht die besten Jahre meines Lebens an dich verschwende!“, sagte Ugluk in schelmischem Ton, an Uchnoth gewandt.
Der einstige Takskall mühte sich unterdessen, vor Anspannung schwitzend, damit, von seinem Sitz abzusteigen. Dann verlor er den Halt, rutschte heulend am Rücken des Greifen hinunter und purzelte schließlich über dessen Schweif auf den hart gepolsterten Boden hinab. Eine Staubwolke wirbelte auf und bedeckte sein grünes Gesicht wie ein Puderguss.
„Daran ist nur dein dämliches Gequatsche schuld!“, blaffte er erbost, doch war ihm andererseits die Erleichterung darüber, dass ihn die Erde wiederhatte, sichtlich anzumerken. „Die Greife sollten dich für immer in eines ihrer Nester mitnehmen, da kannst du dann mit deinem dicken Hintern Eier ausbrüten und gehst mir endlich nicht mehr ständig auf die Nerven!“
Eldorin war in der Zwischenzeit gleichfalls zu Ulven hingeschritten und sah diesem fest und aufmunternd lächelnd ins Angesicht. Trotz seines offenen, freundlichen Auftretens war für jedermann unverkennbar, dass seine Selbstsicherheit und Zuversicht gegenwärtig einen verhängnisvollen Schatten wie ein unliebsames Kleid trugen.
„Die Freude darüber, dich wohlbehalten an derjenigen Stelle wiederzufinden, an welcher wir uns ehedem trennten, ist bei uns allen ungeteilt, Freund Ulven, doch siehst du uns auch mit einem weinenden Auge vor dir. Telorin, unser treuer Gefährte, ist nämlich in dem Schatten Dson Baldurs geblieben und wird die Lindar nicht wiedersehen in diesem Leben. Doch siehe auch, dass sein Opfer nicht vergebens war, denn wir haben Illidor, dessen Verbannung geendet hat, und damit an seiner Statt immerhin ein wenig Hoffnung an unserer Seite.
Auch dieser bitter erkaufte Erfolg war uns jedoch nur deshalb vergönnt gewesen, da uns diese stolzen Wesen zu Hilfe eilten und uns vor der Bedrohung durch Feind und Naturgewalt in größter Not bewahrten. Ohne sie wäre keiner von uns jemals wieder auf dieser Seite des Gebirges erschienen, und keine Nachricht über unser Schicksal wäre nach Aím Tinnod, Dirath Lum oder in das Dorf der Ashtrogs gelangt.“
Mittlerweile hatte der Elb mit der langen, goldblonden Haarpracht und den stolzen, verantwortungsvollen Zügen sein Haupt den Greifen zugewandt, und die anderen, die sich zu Ulven und den Pferden gesellt hatten, taten es ihm gleich. Soeben wollte er mit seiner Dankesrede fortfahren,
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