Die Zweierbeziehung
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Vorwort zur Neuausgabe
Bei seinem Erscheinen 1975 hatte «Die Zweierbeziehung» ein kleineres gesellschaftliches Erdbeben ausgelöst. In kürzester Zeit nahm es auf den Bestsellerlisten den ersten Platz ein und verkaufte sich als Longseller in nahezu dreihunderttausend Exemplaren. Es wurde in zehn Sprachen übersetzt und wurde zum Klassiker der Paarpsychologie und Paartherapie. Weshalb waren und sind bis heute Frauen und Männer so ansprechbar auf das in ihm enthaltene Verständnis von Partnerkonflikten? Worin besteht der bleibende Beitrag von «Die Zweierbeziehung» zum Verständnis von Paarkonflikten?
«Die Zweierbeziehung» erschien zu einem Zeitpunkt, in welchem ein Wandel wichtiger gesellschaftlicher Einstellungen anstand. Zur Zeit seines Erscheinens war die Meinung noch vorherrschend, bei einem Paar- oder Ehekonflikt gehe es darum, einen schuldigen Anteil vom unschuldigen zu unterscheiden. Das bestimmte auch die Gerichtspraxis in Scheidungsprozessen. Mit dem Kollusionskonzept wurde dagegen dargestellt, wie beide Partner zu etwa gleichen Teilen zum aktuellen Konflikt beitragen und es im dynamischen Sinn nicht einen Täter und ein Opfer, einen Dominanten und einen Unterdrückten, einen «Guten» und einen «Schlechten» oder einen Neurotischen und einen Gesunden gibt. Vordergründig drängt sich eine Parteinahme für den einen oder den anderen auf, und jeder Partner erwartet von seinen Freunden oder vom Therapeuten eine Stellungnahme für oder gegen ihn. Dass beide Seiten zur Entstehung des aktuellen Konflikts und dessen destruktiver Eskalation zu etwa gleichen Teilen beitragen, war damals ein neuer Gesichtspunkt, der inzwischen Allgemeingut geworden ist. Doch die Frage, wie jeder von beiden zum Konflikt beiträgt und wie der Konflikt bereits in der Partnerwahl vorprogrammiert ist, interessiert bis heute viele Leserinnen und Leser. Vor wenigen Jahrzehnten waren es vor allem die Frauen, die sich intensiv mit ihren Partnerbeziehungen befassten und manifest darunter litten, während die Männer dazu neigten, die Schwierigkeiten zu bagatellisieren, die Frauen als hysterisch abzuqualifizieren und ihre Gefühle zu überspielen. Üblicherweise kommt es dann zur Eskalation zwischen den Partnern: Je emotionaler die Frau reagiert, desto mehr halten die Männer sich die Ohren zu, je mehr die Männer sich die Ohren zuhalten, desto heftiger reagieren die Frauen. Heute sind Männer eher bereit, sich ernsthaft mit Beziehungsproblemen auseinanderzusetzen, ihren Frauen zuzuhören und eigene Gefühle zu artikulieren. Die Frauen aber übernehmen mehr Eigenverantwortung für ihr Glück und haben weniger Erwartungen, dass der Mann ihnen dieses zu bringen hätte.
In den letzten Jahrzehnten haben sich tiefgehende Veränderungen in der Gestaltung von Partnerbeziehungen ergeben, etwa im selbstverantwortlichen Umgang mit Sexualbeziehungen, in der Freiheit, über die Form des Zusammenlebens selbst zu bestimmen, oder in der Möglichkeit, die Rollen von Mann und Frau im Zusammenleben miteinander auszuhandeln. Trotz dieser emanzipatorischen Entwicklungen schlummern in der Tiefe eines jeden Menschen die alten Sehnsüchte nach Geborgenheit, Umsorgtwerden und Sicherheit, nach vorbehaltlosem Sich-dem-Geliebten-Anvertrauen, mit ihm in Harmonie sich zu vereinigen oder in ihm aufgehoben zu sein. Diese Sehnsüchte werden durch eine Liebesbeziehung entscheidend stimuliert. Es entsteht dabei aber auch die Angst, diesen Sehnsüchten zu verfallen und seine Autonomie zu verlieren. Diese Sehnsüchte sind besonders mächtig, wenn sie im früheren Leben nie oder zumindest nicht adäquat gestillt wurden und ein großer Nachholbedarf besteht. In diesem Zwiespalt zwischen der Hoffnung auf Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte und der gleichzeitigen Angst, dabei die Kontrolle zu verlieren, bietet sich eine unverhoffte Lösung in der Inszenierung einer Kollusion an. Eine Kollusion ist ein unbewusstes Zusammenspiel, das beiden Partnern die Erfüllung ihrer Sehnsüchte in Aussicht stellt, bei gleichzeitiger Sicherung der Kontrolle über die sie begleitenden Ängste. Eine Kollusion bietet zunächst hohes Glück und Sinnerfüllung in der Beziehung zueinander, weil jeder sich für den anderen unentbehrlich fühlt. Doch früher oder später führen Kollusionen in eine Krise. Der Anteil, den jeder verdrängt und an den Partner delegiert, will sich Gehör verschaffen und fordert jeden zu einem autonomeren und ganzheitlicheren Beziehungsverhalten
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