Die Zweierbeziehung
der auch Liebesgefühle mit im Spiele waren. Die Lusterfahrung wurde auch als Pornografie salonfähig. Insbesondere die Frauen wurden in ihren Ansprüchen auf bloße sexuelle Lust wesentlich anspruchsvoller und freizügiger, was manche Männer verunsicherte. Das Internet bot eine Verbreitung von «schmutzigem» Sex an, was in manchen Partnerbeziehungen zu erheblichen Konflikten führte.
In den Jahrzehnten nach 1968 war der gesellschaftliche Wandel von der Ehe zur Partnerbeziehung zur Wiederbelebung von Liebesbeziehungen ein Dauerthema und erforderte laufend Auseinandersetzungen und neue Erfahrungen, wovon manche Paare überfordert waren. Das Zusammenspiel der Partner in Kollusionen wandelte sich in diesen Jahrzehnten. Die Neuausgabe dieses Buches möchte diesen Veränderungen Raum geben.
1.5. Konstruktivere Einstellung zur Scheidung Historischer Wandel der Ehe und Scheidung Scheidung
Heute wird oft anders geschieden als früher. Das Kollusionsmodell hat dazu beigetragen, dass Scheidungen heute wesentlich weniger destruktiv durchgeführt werden. Auch gesetzlich verzichtet man auf die früher übliche Unterscheidung in «schuldig geschieden» oder «unschuldig geschieden». Gemäß dem Kollusionsmodell sind immer beide Seiten an der Entstehung einer Krise beteiligt. Was sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat, ist die Art und Weise, wie geschieden wird. Wo früher vor allem Hass geschürt wurde, um eine Scheidung durchzuboxen, lässt sich heute das Bestreben feststellen, in freundschaftlicher oder zumindest korrekter und respektvoller Weise auseinanderzugehen und die beidseitige Schuld bzw. Mitwirkung anzuerkennen. Auch sind immer häufiger beide Eltern ehrlich bemüht, mit den Kindern gemeinsam die Trennung zu gestalten und zu versuchen, den Kindern gewisse Fragen des «Warum» zu erklären. Die Kinder sind als Scheidungskinder heute nicht mehr allein. Es gibt Schulklassen, wo die Mehrzahl der Kinder aus Scheidungsehen stammen, sodass ein Kind geschiedener Eltern zu sein nicht mehr Scham- und Schuldgefühle auszulösen braucht.
Geschiedene Partner stehen heute nicht selten in einer freundschaftlichen Beziehung zueinander. Das kann sogar zu weit führen, nämlich dann, wenn mit der Scheidung kein klarer Trennungsstrich gezogen wird, sondern diffuse Bindungen fortbestehen. So sehen wir heute nicht selten Paare, wo etwa der Mann bei seiner Exfrau über den Charakter seiner neuen Freundin klagt und von ihr Verständnis und Trost erwartet. Viele geschiedene Partner suchen sich sehr rasch einen neuen Partner bzw. eine Partnerin. Wenn die Hauptmotivation dazu die Unfähigkeit ist, allein zu leben und der Scheidung nachzutrauern, kann das problematisch sein. Die Angst, das Scheidungsschicksal zu wiederholen, kann dann das Paar belasten (s. S. 224ff., Partnerwahl).
1.6. Was hat sich in der Einstellung zur Paartherapie verändert?
Frauen wie Männer haben eine grundsätzlich veränderte Einstellung zur Paartherapie gewonnen. Zu Beginn der Paartherapie, also in den Jahren nach 1965, waren Männer allgemein an Paartherapie nicht interessiert. Ihre Haltung war, die Frau solle nicht so hysterisch tun, sie mache aus einer Maus einen Elefanten, sie übertreibe alles, sie hätten es doch gut miteinander, er verdiene genügend, sie müsse nicht arbeiten gehen und könne ein schönes, sorgenfreies Leben führen. Die Männer sahen für sich keinerlei Probleme, die sie zu besprechen hätten. Es gehört ihrer Meinung nach zu einem «echten» Mann, dass er stark genug ist, um eheliche Spannungen und Unzufriedenheit stoisch zu ertragen, ohne Wimpernzucken, ohne einzuknicken, in tapferer Haltung auszuharren. Sie verharrten in Verteidigungshaltung. Es wäre ihnen gar nicht in den Sinn gekommen, die Frau mit irgendwas anzuklagen, weil das der angestrebten ritterlichen Haltung widersprochen hätte, Häufig war die Grundhaltung: «Ich kann es meiner Frau ohnehin nicht recht machen.»
In der Zeit nach 1965, also in der Pionierzeit der Paartherapie, übernahmen zuallermeist die Frauen die Initiative für die Paartherapie. Sie klagten über das Verhalten des Mannes, über seine Gefühllosigkeit, sein Desinteresse, seine dauernde Tendenz, sich von der Familie zu distanzieren. Sie hatten die Erwartung, dass der Mann ihnen ein schönes Leben bescheren sollte, und hofften nun von der Paartherapie, dass der Therapeut dazu beitrage, diese Wünsche zur Erfüllung zu bringen. Sie zeigten sich nicht bereit, selbst Verantwortung für ihr
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