Die Zweierbeziehung
herumkommandieren kann, was der Frau zwar die Möglichkeit gibt, sich abzureagieren, womit sie aber letztlich ihr Selbstgefühl noch weiter untergräbt.
Es besteht in der Dyade, wie in jeder Gruppe, ein
Solidaritätsdruck
, der Unterschiedlichkeiten im Selbstwertgefühl, in der Stimmung und Befindlichkeit von Gleichrangigen möglichst gering zu halten verpflichtet. Häufig richten sich die Gruppenmitglieder und Partner nach dem Schwächsten, um alles zu vermeiden, was in diesem das Gefühl von Unterlegenheit verstärken könnte. Die kontaktfreudige Frau benimmt sich in Gesellschaft plötzlich gehemmt und zurückhaltend, um ihren schüchternen Mann nicht zu sehr neben ihr abfallen zu lassen. Der beruflich erfolgreiche Manager gibt seiner Frau möglichst wenig Einblick in seine Stellung im Berufsfeld, um der Frau nicht den Eindruck zu vermitteln, sie sei ihm unterlegen. Es ist dem einen schwer, glücklich und überschwänglich zu sein, wenn der andere depressiv-verstimmt herumsauert.
Solange in einer Paarbildung die Partner aufeinander bezogen sind, ist es nur in beschränktem Maße möglich, dass der eine wirklich dominiert und der andere den Kampf aufgibt und sich unterordnet. Die Rivalität, die häufig zwischen den Partnern besteht, wird in engem Rahmen ausgetragen. Unbewusst arrangieren sich die Partner immer wieder so, dass Siege und Niederlagen sich zwischen ihnen ausbalancieren. Steigt die Spannung zwischen den Partnern an, wird der Kampf härter und entschiedener auf einseitigen Sieg ausgerichtet, so tritt ein neues Phänomen auf. Es gibt in einem Ehestreit keine Sieger und Verlierer. Der Verlierer hat nämlich eine Fülle von Mitteln, um den Ausgleich wiederherzustellen, allerdings mit anderen Methoden. Wenn offene Gleichwertigkeit herrscht, besteht die Chance, dass Streitigkeiten und Auseinandersetzungen direkt und einigermaßen sachbezogen geführt werden. Kippt nun die Balance einseitig um und merkt einer der Partner, dass er dem anderen mit direkten Mitteln unterliegt, so kann er in einer Paarbeziehung auf ein großes «Waffenarsenal» zurückgreifen, mit dem er sich trotz scheinbarer Unterlegenheit dem Partner gegenüber behaupten und wieder in ein – allerdings destruktives – Gleichgewicht bringen kann. Die dazu eingesetzten Mittel sind etwa: Weinen, depressive Vorwurfshaltung, Davonlaufen, trotziges Schweigen, Märtyrer- und Heiligenhaltung, psychosomatische Symptombildung, Suizidversuche, Alkoholräusche, Arbeitsstreik, Einbezug von Drittpersonen usw. Viele Ehequalen entstehen daraus, dass Konflikte nicht mehr direkt mit «gleichen Waffen» ausgetragen, sondern dass destruktive Reserven mobilisiert werden, die eine faire Konfliktlösung verunmöglichen und zu einer Eskalation führen, in der jedes nur noch darauf bedacht ist, dem anderen Schmerzen zuzufügen oder den anderen zu zerstören, ohne Beachtung der Tatsache, dass er damit sich selbst mitschädigt. Es ist deshalb ein berechtigtes Anliegen der Paartherapie, das Paar zu veranlassen, mit gleichwertigen Mitteln Streitigkeiten auszuhandeln.
Es besteht nun scheinbar ein Gegensatz zwischen der im vorangegangenen Kapitel erwähnten Polarisierungstendenz in die progressive und regressive Position und dem hier postulierten Prinzip der Gleichwertigkeit. Die regressive Position braucht innerhalb des Paares nicht Anlass zu Minderwertigkeitsgefühlen zu geben, solange deutlich spürbar ist, dass der Partner in progressiver Position auf die regressive Haltung angewiesen ist und sich der regressive Partner auch immer wieder von der bloßen Scheinstärke des progressiven überzeugen kann. Er spürt dann, wie der progressive mindestens so abhängig von ihm ist wie er von ihm und dass er sich deshalb keineswegs unterlegen fühlen muss. Besonders sehr emotionale Frauen verstehen es, ihre Umgebung mit Schwächeanfällen zu tyrannisieren. Die scheinbar inferiore Position kann zur superioren werden. Der passive Teil braucht dem aktiven nicht unterlegen zu sein, er kann diesen vielmehr in seine Dienste nehmen.
Im Laufe einer Ehe kann die Solidarität der Partner überstrapaziert werden, wenn der eine sich in echter Weise persönlich entfalten möchte und der andere ihn zur Wahrung der Gleichwertigkeit nur immerzu durch destruktives Verhalten zurückbinden und hemmen will. Es kann der Punkt kommen, wo der eine nicht mehr bereit ist, aus Rücksicht auf den Partner die eigene Entwicklung zu drosseln oder zu stoppen. Er beginnt sich über die
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