Die Zweierbeziehung
meist unbefriedigend. Er lässt sich nicht mehr weiterhin als Kind behandeln. Er fühlt sich durch das feste Bild, das die Eltern von ihm haben, eingeengt und kleingehalten. Die krisenhafte Ablösung vom Elternhaus wird wesentlich gefördert durch die Vorstellung, es selbst mit dem Partner zusammen bezüglich Ehe und Familie besser als die Eltern zu machen. In diesem Sinne sind Spannungen und mangelnde Befriedigungen im Elternhaus oft ein Umstand, der wesentlich den notwendigen Druck entstehen lässt, all die Unsicherheiten und Mühsale einer eigenen Partnerschaft auf sich zu nehmen, um eine eigene Familie zu gründen. Man verhält sich dabei so wie ein Pionier, der aus den unbefriedigenden Heimatverhältnissen auszieht, um anderswo auf eigene Faust sein Glück zu schmieden. Man fühlt sich durch das Bild, das die Herkunftsfamilie von einem hat, missverstanden, verzerrt und eingeengt und möchte mit einem Partner, der vorurteilsfrei an einen herantritt, man selbst werden können.
Diese Phase der Paarbildung kann sehr belastend sein. Sie ist oft erfüllt von Ängsten und Zweifeln; Angst vor der Ablösung von zu Hause, Angst, sich dem Partner auszuliefern, Angst vor Bindung, Verpflichtung, Verantwortung; Angst, sich in der Anpassung an den Partner selbst aufgeben zu müssen; Angst, in der gemeinsamen Aufgabe oder sexuell zu versagen. Es kommt in der Zeit vor der Heirat nicht selten zu Depressionen, panikartigen Fluchtreaktionen, neurasthenischen Beschwerden, Angstzuständen, Identitätskonfusion bis zur Psychose.
Nach E RIKSON (1956/57) enthüllt sich die latente Schwäche der Identität oft erst in der sexuellen Intimität eines Liebesverhältnisses. «Die echte ‹Begegnung› mit dem Du ist das Ergebnis und zugleich die Probe aufs Exempel für das festumrissene Identitätsgefühl. Während der junge Mensch wenigstens versuchsweise Formen spielerischer Intimität in Freundschaft und Rivalität, im Flirt und in der Liebe, im Wortstreit und «Sich-Aussprechen» sucht, hat er gelegentlich ein eigentümliches Gefühl von Spannung, so als ob diese versuchsweisen Begegnungen, in eine Bindung verwandelt, zu einem Verlust der Identität führen könnten. Daraus folgt eine krampfhafte innere Zurückhaltung, ein vorsichtiges Vermeiden von Verpflichtungen. Wenn der Jugendliche dieses Gefühl der Belastung nicht überwindet, so kann es dahin kommen, dass er sich isoliert und bestenfalls nur sehr stereotype und formale zwischenpersönliche Beziehungen aufnimmt.»
3.2. Der Aufbau einer gemeinsamen Welt Aufbau einer gemeinsamen Welt
Diese Phase umfasst die ersten Ehejahre und ist meist die aktivste Phase der Ehe. Das Paar sucht nach der Heirat seine Identität als Paar zu festigen. Es muss sich seinen Platz in der Gesellschaft schaffen und all die vielen Entscheidungen treffen, die ihm schließlich eine festumrissene Gestalt verleihen. Während in der Jugend alles träumerisch-zukunftsgerichtet war, ist jetzt die Stunde, wo sich realisiert, worauf man hingelebt hat. Das Paar richtet sich ein eigenes Heim ein, dessen Ausstattung den Lebensstil des Paares ausdrückt und rückwirkend wiederum prägt. Der Mann (eventuell auch die Frau) ringt um die berufliche Position, die nicht nur seine Identität prägt, sondern die soziale Stellung der Familie und deren Identität entscheidend bestimmt.
Das Zusammenleben führt zu einer gewissen internen Funktionsteilung, deren Festlegung ein langwieriger Prozess ist. Die Dyade ist jetzt als Kleingruppe gegen außen klar formiert, gegen innen sind die Rangpositionen und Rollen aber noch nicht fixiert. Das Finden des eigenen Lebensstils ist ein Prozess intensiver Auseinandersetzung. Die Partner ringen um eine Übereinkunft bezüglich der Normen und Werte, aber nicht mehr nur abstrakt und theoretisch, sondern auf die Realität des Alltags bezogen, auf das Verteilen von Aufgaben und Verantwortung, auf das Gestalten des Tagesablaufes, der Arbeit und der Freizeit, auf die sozialen Beziehungen und Freundschaften, auf den Umgang mit dem Geld, auf die konkreten Zielsetzungen ihrer Gemeinschaft usw. Das Zusammenleben erfordert Stellungnahmen und Entscheidungen bezüglich aller Bereiche menschlichen Lebens. Das gemeinsame Suchen nach eigenen Lösungen erreicht in dieser Ehephase eine einzigartige Intensität und kann für die Identitätsbildung außergewöhnlich fruchtbar sein. Die Fülle konkreter Anforderungen, Belastungen und Bewährungsproben wirkt auf die Entwicklung beider Partner
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