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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sind …?«
    »Clocker. Karl Clocker.«
    »Haben ihn erschossen.«
    »Klar.«
    »Wer … wer … war er?«
    »Drew Oslett. Die wichtigere Frage ist – was war er?«
    »Hm?«
    Clocker lächelte. »Ein Menschensohn, aber nicht menschlicher als der arme Alfie. Wenn es da draußen irgendwo eine böse außerirdische Rasse geben sollte, die plündernd durch die Milchstraße zieht, wird sie sich nie mit uns anlegen, wenn sie weiß, daß wir Prachtexemplare wie Drew hervorbringen können.«
    Clocker fuhr, und Charlotte saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er nannte sie »Erster Offizier Stillwater« und übertrug ihr die Aufgabe, »dem Captain Kaffee zu geben, wenn er trinken will, und ansonsten katastrophales Verschütten zu verhindern, das das Schiff irreparabel kontaminieren könnte«.
    Charlotte war ungewöhnlich zurückhaltend und wollte nicht spielen.
    Marty machte sich Gedanken, welche psychischen Narben ihre Prüfung bei ihr hinterlassen haben könnte – und welche weiteren Sorgen und Traumata noch vor ihnen liegen mochten.
    Auf der Rückbank saßen Emily hinter Karl Clocker, Marty hinter Charlotte und Paige zwischen ihnen. Emily war nicht nur ruhig, sondern völlig stumm, und Marty machte sich auch ihretwegen Sorgen.
    Auf der Route 203 von Mammoth Lakes und anschließend in südlicher Richtung auf der 395 kamen sie nur langsam voran. Auf dem Boden lagen fünf bis sechs Zentimeter Schnee, und der Blizzard hatte seinen Höhepunkt erreicht.
    Clocker und Paige tranken Kaffee, die Mädchen heiße Schokolade. Der Duft hätte köstlich sein müssen, verstärkte Martys Übelkeit aber nur.
    Er durfte Apfelsaft trinken. Paige hatte in dem Geschäft eine Sechserpackung Saft in Dosen gekauft.
    »Das dürften Sie als einziges im Magen behalten können«, sagte Clocker. »Und selbst wenn Sie würgen müssen, müssen Sie trinken, soviel Sie können, weil Sie mit dieser Verletzung ganz bestimmt gefährlich dehydrieren.«
    Marty zitterte so sehr, daß er den Saft nicht einmal mit der rechten Hand halten konnte, ohne etwas zu verschütten. Paige steckte ihm einen Strohhalm in die Dose, hielt sie für ihn und tupfte ihm das Kinn ab, wenn er sabberte.
    Er fühlte sich hilflos. Und er fragte sich, ob er schwerer verletzt war, als sie sagten oder wußten.
    Er spürte intuitiv, daß er im Sterben lag – aber er wußte nicht, ob das eine zutreffende Einschätzung oder der Fluch der schriftstellerischen Phantasie war.
    Die Nacht war von weißen Flocken erfüllt, als wäre der Tag nicht nur zu Ende gegangen, sondern in eine unendliche Vielzahl von Trümmern zerschellt, die für alle Zeiten durch eine endlose Dunkelheit herabregnen würden.
    Als sie in einer Fahrzeugschlange hinter einem Schneepflug und einem Streuwagen von den Sierras herabfuhren, erzählte Clocker ihnen über das Dröhnen des Motors und das Klirren der Schneeketten hinweg vom Network.
    Es handelte sich um einen Bund mächtiger Männer in Regierung, Wirtschaft, Rechtsprechung und Medien, die die gemeinsame Überzeugung verband, daß die traditionelle westliche Demokratie ein unwirksames und letztendlich katastrophales System war, eine Gesellschaft zu organisieren. Sie waren überzeugt, daß die Mehrzahl der Bürger egoistisch, sensationslüstern, habgierig, träg, neidisch und rassistisch seien, keinerlei moralische Werte mehr besäßen und bemitleidenswert unwissend in allen wichtigen Fragen zu sein schienen.
    »Sie glauben«, sagte Clocker, »die Geschichte beweise, daß die Massen schon immer verantwortungslos waren und die Gesellschaft nur durch Glück und die gewissenhaften Anstrengungen einiger weniger Visionäre vorangekommen ist.«
    »Halten sie das für neu?« fragte Paige verächtlich. »Haben sie schon mal von Hitler, Stalin, Mao Tse-tung gehört?«
    »Neu ist ihrer Meinung nach«, sagte Clocker, »daß wir ein Zeitalter erreicht haben, in dem die technologischen Grundlagen der Gesellschaft zu komplex und wegen dieser Komplexität so störanfällig geworden sind, daß die Zivilisation – sogar der ganze Planet – nicht überleben kann, wenn Regierungen Entscheidungen aufgrund der Launen und egoistischen Motive der Masse treffen, die in den Wahlkabinen an den Schalthebeln sitzt.«
    »Quatsch«, sagte Paige.
    Marty hätte ihre Meinung unterstützt, wenn er sich kräftig genug gefühlt hätte, an der Unterhaltung teilzunehmen. Aber seine Energie reichte gerade aus, mit dem Strohhalm Apfelsaft zu saugen und zu schlucken.
    »In Wirklichkeit«, sagte Clocker,

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