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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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durchdringender als Winterstürme.
    Die Hände um seinen Hals fühlten sich überhaupt nicht wie Hände an. So hart wie die Metallkiefer einer Bärenfalle. Trotz der bitterkalten Nacht heiß, so heiß, daß sie ihn fast verbrannten.
    Das Ding versuchte nicht nur, ihn zu erwürgen, sondern auch zu beißen, wie es versucht hatte, Paige zu beißen, stieß wie eine Schlange nach ihm und zischte dabei. Knurrte tief im Hals. Zähne bissen einen Zentimeter von Martys Gesicht entfernt ins Leere. Saurer, beißender Atem. Der Gestank von Verwesung. Er hatte das Gefühl, als würde es ihn verschlingen, wenn es könnte, ihm die Kehle aufreißen und das Blut aussaugen.
    Die Wirklichkeit übertrumpfte die Phantasie.
    Jegliche Vernunft kam abhanden.
    Alpträume wurden wahr. Ungeheuer existierten.
    Mit der unverletzten Hand bekam Marty ein Büschel Haare zu fassen und zog fest, riß den Kopf des Dings zurück und bemühte sich panisch, die schnappenden Zähne von sich fernzuhalten.
    Die Augen des Dings rollten und funkelten. Wenn es schrie, flog schäumender weißer Speichel von seinem Mund.
    Hitze strahlte von seinem Körper ab, und es fühlte sich so heiß an wie der Vinylsitz eines Autos, das im Sommer in der Sonne gestanden hatte.
    Der Andere ließ Martys Hals los, drückte ihn aber immer noch gegen die Brüstung, griff hinter sich und packte die Hand, mit der Marty sein Haar festhielt. Knochenfinger. Nicht menschlich. Harte Krallen. Das Ding schien kein Fleisch an sich zu haben, ausgetrocknet zu sein, aber unvorstellbar tückisch und kräftig, und es zerquetschte Martys Hand fast, bevor er das Haar losließ. Dann drehte es den Kopf zur Seite und schnappte nach seinem Unterarm, riß den Ärmel aus der Jacke heraus, aber nicht sein Fleisch. Schnappte wieder nach ihm, schlug die Zähne in seine Hand, er schrie. Es packte seine Skijacke, zog ihn von der Brüstung, als er versuchte, ins Leere hinaus vor ihm auszuweichen, biß nach seinem Gesicht, die Zähne schlugen Millimeter von seiner Wange entfernt zusammen, und es stieß krächzend ein einziges gequältes Wort her vor: »Muß«, dann schnappte es nach seinen Augen, schnappte, schnappte nach seinen Augen.
    »Sei friedlich, Alfie.«
    Marty hörte die Worte, war aber zuerst nicht imstande, sie zu verstehen oder zu begreifen, daß er die Stimme noch nie gehört hatte.
    Der Andere riß den Kopf zurück, als wollte er endgültig nach Martys Gesicht schnappen. Aber er behielt diese Haltung bei, verdrehte wild die Augen, sein Skelettgesicht leuchtete so weiß wie der Schnee, er hatte die Zähne gefletscht, drehte den Kopf von einer Seite auf die andere und stieß ein schrilles Wimmern aus, als wäre er selbst nicht sicher, warum er zögerte.
    Marty wußte, er sollte die Gunst des Augenblicks nutzen und dem Anderen das Knie zwischen die Beine rammen, ihn über die Plattform zur gegenüberliegenden Brüstung zurückdrängen und in die Tiefe stoßen. Er konnte sich vorstellen, was zu tun war, sah es mit der Phantasie des Schriftstellers vor sich, erkannte den Augenblick der Tat in einem Roman oder Film voll und ganz, aber er hatte keine Kraft mehr. Die Schmerzen der Schußwunde, im Hals und in der gebissenen Hand nahmen wieder zu, Schwindel und Benommenheit übermannten ihn, und er wußte, er war im Begriff, ohnmächtig zu werden.
    »Sei friedlich, Alfie«, wiederholte die Stimme nachdrücklicher.
    Der Andere, der den hilflosen Marty noch in seinem eisernen Klammergriff hielt, drehte den Kopf zu dem Mann um, der die Worte aussprach.
    Eine Taschenlampe wurde eingeschaltet und leuchtete dem Ding ins Gesicht.
    Marty sah blinzelnd zu der Lichtquelle und erblickte einen Bären von einem Mann, groß und mit breiter Brust, und einen kleineren Mann im schwarzen Skianzug. Sie waren Fremde.
    Sie wirkten ein wenig überrascht, aber keineswegs so schockiert oder entsetzt, wie Marty erwartet hätte.
    »Herrgott«, sagte der kleinere Mann, »was geschieht mit ihm?«
    »Stoffwechselzusammenbruch«, sagte der größere Mann.
    »Herrgott.«
    Marty sah zur westlichen Wand des Glockenstuhls, wo Paige mit den Kindern kauerte, sie beschützte, ihre Köpfe an die Brust drückte, damit sie nicht zuviel von der Kreatur sahen.
    »Sei friedlich, Alfie«, wiederholte der kleinere Mann.
    Mit einer von Wut, Schmerzen und Verwirrung gequälten Stimme krächzte der Andere: »Vater. Vater. Vater?«
    Marty wurde immer noch festgehalten und richtete seine Aufmerksamkeit nun auf das Ding, das einmal wie er ausgesehen

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