Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
und so schwiegen beide, bis sich Pater Theodorus mit e inem leisen »Der Herr möge uns vergeben, Bruder.« verabschiedete und die Zelle des Mannes verließ, der den Himmel der Maschinen kennen gelernt hatte.
Benedict sah ihm nach und atmete tief durch, als die Tür mit einem sanften Klicken ins Schloss fiel. Der Besuch hatte ihn angestrengt, und als er sich zurücklehnte, konnte er förmlich spüren, wie sich die Anspannung seiner Muskeln löste.
Dabei war seine Erleichterung im Grunde völlig irrational. Nichts hatte sich geändert, erst recht nicht zum Besseren ...
Pater Theodorus meinte es gut, daran bestand kein Zweifel, aber auch er konnte ihm nicht helfen. Kein Außenstehender konnte das, und deshalb war Benedict dankbar dafür, dass der Provinzial gegangen war. Was ihn bedrückte, war mit Worten nicht adäquat zu vermitteln. Selbst wenn er sich irgendwann einmal dazu durchrang, das Erlebte wiederzugeben, würde ihn niemand verstehen, der nicht selbst dort gewesen war, und das schloss – wie seine »Gastgeber« den Oberen versichert hatten – die Lebenden aus ...
Benedict hatte den Auftrag nicht aus Überzeugung oder gar Neugier übernommen, sondern ausschlie ßlich, um seinen Pflichten zu genügen. Er war skeptisch geblieben, sogar noch in der Phase des Skips , der sich kaum von dem der üblichen VR-Ausflüge unterschieden hatte und nicht dazu angetan war, Besonderes zu erwarten.
Aber es war dort , dieses Besondere, und die Unmöglichkeit, es in Worte zu fassen, änderte nichts an der Intensität dieser Erfahrung.
Die begrifflichen Schwierigkeiten begannen schon bei der Beschreibung seiner Ankunft. Benedict kam nicht wirklich »zu sich«, denn es gab keinerlei Ko ntinuität zwischen seiner Existenz vorher und dem, was er dort war. Zweifellos erwachte er irgendwie, aber sein neues Ich war etwas völlig anderes als das, was man gemeinhin als »Bewusstsein« bezeichnete. Es war nicht nur seines Körpers beraubt oder zutreffender enthoben , sondern auch sämtlicher Sinne, die es üblicherweise mit Informationen von außen versorgten. Dennoch war die logisch anmutende Schlussfolgerung, er sei plötzlich blind, taub und empfindungslos geworden, genauso zutreffend und dennoch irreführend wie etwa die Feststellung, ein im Meer schwimmender Fisch sei nass.
Doch jeder Erklärungsversuch musste in einem Missverständnis enden oder gar Zweifel an seiner geistigen Gesundheit auslösen, wenn er sich den Oberen tatsächlich offenbarte. Sie konnten ihn nicht verstehen, denn sie hatten nicht erlebt, was er erlebt hatte.
Wie also konnte er ihnen das überwältigende Gefühl, nein, die Gewissheit nahe bringen, angekommen zu sein oder das Fehlen jeglicher Ängste? Wie sollte er eine Wärme beschreiben, die nichts mit Temperaturen zu tun hatte, oder Stimmen, die ohne Worte auskamen? Sollte er ihnen gar von Elena erzählen, deren Nähe er ebenso gespürt hatte wie die seines Bruders Sebastian? In ihrer Welt, die jetzt auch wieder die seine war, war all das ebenso undenkbar wie die Befreiung von der Last des eigenen Körpers.
Benedict war immer klar gewesen, dass der Ort seines zeitweiligen Aufenthalts nicht Sein Reich gewesen war, aber weder sein Glaube noch die Skepsis gegenüber den Absichten der künstlichen Intelligenzen konnten verhindern, dass er sich dorthin zurücksehnte – jeden Tag, jede Stunde, jede Minute seit jenem unglückseligen Augenblick, an dem er wie ein Häufchen Elend in dieser Welt wieder zu sich gekommen war.
Er verachtete sich dafür. Nicht nur sein Fleisch, auch sein Geist war schwach. Was er ersehnte, hatte nichts mit dem ewigen Leben in Seiner Gnade zu tun. Der Himmel der Maschinen war eine einzige Blasphemie, erschaffen von Entitäten, die weder Liebe noch Barmherzigkeit kannten. Die Absicht, die sich hinter dem vermeintlich großzügigen Ang ebot an die Menschheit verbarg, war ebenso absurd wie ungeheuerlich: Die Maschinen versuchten tatsächlich, Seinen Platz einzunehmen!
Unerträglich war jedoch nicht nur diese Anm aßung, sondern vor allem die Tatsache, dass er, Pater Benedict, nicht die Kraft hatte, der Versuchung zu widerstehen.
Er hatte gebetet, Tag und Nacht, oftmals auf nac kten Knien, bis ihn die Kräfte verließen, doch sein Flehen war nicht erhört worden. Die Beichte hatte er gemieden, denn wie sollte ihm Vergebung zuteil werden, solange er nicht von seiner Verirrung abließ?
Die Exerzitien, denen er sich unterzog, um seiner sündigen Gedanken Herr zu werden,
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