Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
nebenei nander her, bis sie das künstlich verbreiterte Plateau erreicht hatten, auf dem die Patres die Kapelle errichtet hatten.
Aus der Nähe betrachtet wirkte das Gebäude kle iner als aus der Entfernung, aber das war ein Effekt, den Pater Benedict schon kannte. Über dem Original hatte man seinerzeit eine Kathedrale errichtet, um die Pilgerströme zu bewältigen, denn die Kapelle selbst bot nur zwei Dutzend Besuchern Platz. Das Portal war kaum größer als eine gewöhnliche Haustür, der Bogen reichte aber dennoch bis zum Giebel mit dem berühmten Fresko, das den Gnadenempfang des Heiligen Franziskus von Assisi darstellte.
Das Portal war stets unverschlossen; Benedict mus ste nur ein paar Schritte vorwärts gehen und eintreten. Aber er zögerte, nicht aus Furcht, sondern weil er es als unpassend empfand, die Kapelle zu einem anderen Zweck als dem stillen Gebet aufzusuchen. Sie war Sein Haus wie jede Kirche ...
Doch für eine Umkehr war es zu spät. Benedict musste sein Wort einlösen.
»Dann gehe ich jetzt hinein«, sagte er mit gepresster Stimme. »Gibt es etwas, worauf ich achten muss?«
»Nein.« Der Junge lächelte. »Der Ort des Übe rgangs ist leicht zu finden. Ich werde hier draußen auf dich warten.«
Aus irgendeinem Grund fand Benedict die Vo rstellung tröstlich.
»Also gut«, murmelte er und hob die Hand zu e iner halbherzigen Abschiedsgeste, bevor er sich abwandte und die Kapelle betrat.
Es dauerte ein wenig, bis sich seine Augen an das Halbdunkel im Innenraum gewöhnt hatten. Es gab zwar zwei bleiverglaste Fenster im hinteren Teil des Raumes, die zur Ausleuchtung der Altarbilder die nten, dennoch waren die Bänke und Teile des Gewölbes nur schemenhaft zu erkennen.
Benedict bekreuzigte sich, senkte den Blick und ließ die Stille und den vertrauten Geruch nach p oliertem Holz und Weihrauch auf sich wirken. Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag, er atmete freier und der schmerzhafte Druck in seinen Schläfen ließ nach.
Sub tuum praesidium confugimus, sancta Dei G enetrix , betete er stumm auf dem Weg Richtung Altar. Nostras deprecationes ne despicias in necessitatibus ...
Die Heilige Mutter würde ihm vergeben, selbst wenn das, was er im Begriff war zu tun, falsch war ...
Den blauen Lichtschein auf den Stufen bemerkte Benedict erst, als er sich anschickte, den Altarraum zu betreten. Zuerst glaubte er an eine Sinnestäuschung, aber das seltsame Leuchten verschwand auch dann nicht, als er die Augen mehrere Male geschlossen und wieder geöffnet hatte. Der schimmernde Lichtkreis hatte einen Durchmesser von einem knappen Meter, und schien in seinem Zentrum leicht zu pulsieren.
Natürlich konnte es sich um eine Projektion an alog der des Besuchers handeln, aber Pater Benedict glaubte nicht daran. Er vermutete eher ein physikalisches Phänomen, eine Art Kraftfeld vielleicht, auch wenn er keine Vorstellung hatte, woher es seine Energie bezog.
Der Ort des Übergangs ist leicht zu finden , hatte der Junge gesagt, und es sprach einiges dafür, daß die fluoreszierende Fläche genau dieser Ort war.
Benedict fror plötzlich und spürte, wie sich die Hä rchen in seinem Nacken aufrichteten.
Was würde geschehen, wenn er den blauen Lich tkreis betrat?
Dabei war ihm durchaus klar, dass ihm körperlich keine Gefahr drohte, dennoch verstärkte sich das flaue Gefühl im Magen wie beim Blick in einen A bgrund.
Aber ihm blieb keine Wahl. Er musste es hinter sich bringen, auch wenn sich alles in ihm dagegen weh rte. Benedict hatte gelernt, seinen Körper dem eigenen Willen zu unterwerfen, und so zwang er seine widerstrebenden Muskeln, den ersten, entscheidenden Schritt zu tun. Sein rechter Fuß drang ein in das blaue Leuchten, verharrte einen Moment und fand schließlich festen Stand. Benedict spürte nichts, kein Kribbeln, kein Brennen, nicht einmal einen Temperaturunterschied. Dennoch schlug ihm das Herz bis zum Hals, als er sein Gewicht nach vorn verlagerte und sein linkes Bein nachzog, so dass er mit beiden Füßen im Zentrum des leuchtenden Kreises stand.
Nichts , dachte Pater Benedict fast ein wenig enttäuscht, als das Schwindelgefühl plötzlich übermächtig wurde und er fiel.
Benedict kannte das Gefühl des Skips und deshalb verfiel er auch nicht in Panik, als er halb benommen durch die Dunkelheit trieb. Es konnte nicht lange dauern, bis er ankommen würde an einem gewiss wunderschönen Ort, der den Menschen das Paradies vorgaukeln sollte.
Doch es kam anders. Vollkommen anders
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