Die zweite Nacht
wohl überlegt, wie gut Frederik im Bett sein muss, dass du deinen Schutzpanzer aufgegeben hast«, klärte meine Schwester mich auf.
Nachdem ich die Augen verdreht hatte, wandte ich mich zu Mo: »Ach, und wie ist deine Theorie dazu?«
Abwehrend zeigte sie mir ihre Handflächen. »Ich habe dazu gar nichts gesagt. Bei meinem Glück wäre in dem Moment Daniel neben mir aus dem Boden gewachsen.«
Ich runzelte die Stirn und fragte mich, wie sie das meinte, bevor ich Elena anfunkelte. »Und du? Sind das Gedanken, die für eine verheiratete Frau angemessen sind?«
Ihr belustigtes Grinsen vertiefte sich nur noch weiter. »Du hast noch gar nicht geflucht.«
Um mich zu beherrschen, presste ich meine Lippen fest aufeinander und holte durch die Nase tief Luft. Dann begutachtete ich das Büffet. Mein Bruder war einfach die geborene Hausfrau – ich wusste, dass Mo nicht kochen konnte. Also musste das hier alles von Daniel gemacht worden sein.
»Es ist wirklich wahr. Auch Helen hat endlich einen Typen abbekommen. Soll ich Mama eigentlich jetzt schon anrufen oder noch bis morgen warten?« Daniels Stimme klang so unerträglich belustigt, dass ich ihm am liebsten meine Faust in den Magen gerammt hätte.
Stattdessen lächelte ich ihn süßlich an und überlegte, wie ich mich am besten würde rächen können.
Elena stieß meinen Bruder an. »Ich mache mir Sorgen. Sie hat heute noch gar nicht geflucht.«
Daniel machte ein schockiertes Gesicht, stellte sein Glas ab und legte mir eine Hand auf die Stirn. »Hm, ihre Körpertemperatur liegt aber wie immer unter null Grad.«
Mo lachte lauthals und ich wischte wütend Daniels Arm weg. Gerade als ich zu einer gepflegten Runde Beleidigungen ansetzen wollte, tauchte Frederik in der Küchentür auf und verkündete: »Das ist irgendwie lustig, wie hier jeder auf dir herumhackt. Ich glaube, ich komme jetzt öfter mit.«
Ich wirbelte herum und warf ihm einen tödlichen Blick zu. Plötzlich hatte ich so viel Auswahl, dass ich gar nicht wusste, wen ich zuerst beschimpfen sollte. Bestimmt würde ich vor lauter Bluthochdruck gleich anfangen, aus den Ohren zu bluten. Mit größter Mühe schaffte ich es, meine Fäuste wieder zu öffnen.
Frederik wies hinter sich und sagte zu Daniel. »Guter Büchergeschmack. Hat Helen dir schon ihr neues gegeben?«
Sofort trafen mich die empörten Augen meines Bruders. »Ich dachte, du hast deine Belegexemplare noch nicht.«
»Als du gefragt hattest, hatte ich sie auch noch nicht«, warf ich ein und verschränkte genervt die Arme.
»Hast du mir denn jetzt eins mitgebracht?«, fragte er mit seiner typischen Kleiner-Bruder-Stimme.
Wunderbar. Ich hätte bestimmt dran gedacht, ihm eins mitzubringen, wenn jemand mich nicht auf meinem Schreibtisch gevögelt hätte. Kleinlaut schüttelte ich den Kopf.
Zu meiner Verwunderung winkte ausgerechnet Elena ab. »Das kann sie Mo mitgeben.«
Wenigstens wirkte die Freundin meines Bruders genauso verwirrt wie ich. Sie räusperte sich schließlich und Elena grinste breit, bevor sie erklärte: »Na, jetzt lohnt sich doch ein Frauenabend so richtig. Ihr wisst schon, das volle Programm mit Shoppen, Kosmetikerin und Cocktails trinken gehen.«
Mir erschloss sich die Logik hinter Elenas Worten nicht und offenbar sahen Mo und ich gleichermaßen schockiert aus, denn Daniel lachte lauthals los. Frederik begnügte sich mit einem Grinsen, wich aber wissentlich meinem Blick aus.
»Ja, dann bringt Mo mir wohl das Buch mit«, hüstelte Daniel schließlich und fragte Frederik irgendetwas, was ich nicht verstand, weil Stephan in diesem Moment vor mir auftauchte.
»Na, Schwägerin? Jetzt, wo du auch in festen Händen bist, können wir ja mal zu sechst ausgehen.« Er legte den Arm um meine Schulter und begann Pläne zu schmieden, bei denen mir schwindelig wurde.
Was hieß denn hier »in festen Händen«? Der Boden unter meinen Füßen schwankte für einen Moment gefährlich und ich bemerkte, dass Frederik mich ansah, kurz bevor er mit Daniel die Küche verließ. Allerdings wirkte er vollkommen neutral und verzog keine Miene. Dabei konnte er unmöglich überhört haben, was Stephan gesagt hatte. Hatte denn niemand zugehört, als ich Frederik als meinen Nachbarn vorgestellt hatte?
Froh, endlich den Klauen meiner Schwester entkommen zu sein, versteckte ich mich halb neben dem Bücherregal und beobachtete Frederik. Er unterhielt sich noch immer angeregt mit meinem Bruder und hinter meiner Stirn pochte ein leichter Schmerz,
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