Die zweite Nacht
Elena immer so anstrengend?«
Abwesend nickte ich und versuchte zu ergründen, was Frederik dachte, indem ich Löcher in seinen Rücken starrte. »Dein Bruder ist komisch«, murmelte ich abwesend und Mo kicherte.
»Erstens ist dein Bruder auch komisch und zweitens kam Don gerade in die Küche und hat das Gleiche über Frauen im Allgemeinen und dich im Speziellen gesagt.«
»Was?« Verwirrt sah ich Mo an.
»Ich habe zwar keine Ahnung, worüber ihr zwei geredet habt, aber Don zweifelt gerade an der Urteilskraft der weiblichen Weltbevölkerung. Möchtest du mich aufklären?«
Stumm schüttelte ich den Kopf. »Was glaubst du, worüber Daniel und Frederik sich unterhalten?«
Mo warf einen Blick zu den beiden Männern und erwiderte gelassen: »Warum gehst du nicht hin und findest es heraus?«
»Hm.« Gar nicht mal so blöd ihr Vorschlag.
Sie lachte und klopfte mir wohlwollend auf den Rücken. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich zu, wie sie vollkommen entspannt auf meinen Bruder zu spazierte. Menschen waren wirklich anstrengend, aber viele Menschen auf einem Haufen waren das Schlimmste.
Plötzlich hörte ich Elena und bevor sie mich ein weiteres Mal in ein Verhör nehmen konnte, folgte ich Mo und stellte mich neben Frederik. Erleichtert sanken meine Schultern nach unten. Das Gespräch drehte sich um Sport – was hatte ich erwartet?
Ich schaltete auf Autopilot und so entging mir, dass Frederik den Arm um meine Schulter legte. Es fiel mir erst auf, als er bemerkte, dass es langsam Zeit wurde, nach Hause zu fahren. Überrascht sah ich auf meine Armbanduhr: Es war kurz vor Mitternacht.
Gequält verzog ich das Gesicht, was meinem Bruder natürlich nicht entging und er begann sofort, gnadenlos auf mir herumzuhacken: »Was ist denn, Helen? Kommst du zu spät nach Hause? Ist ja schon nach elf, nicht wahr? Jetzt können wir endlich mal zusehen, wie du dich in einen Kürbis verwandelst.«
Mo stieß ihm zwar den Ellenbogen in die Seite, doch auch sie konnte sich ihr Grinsen nicht verkneifen.
Elena schüttelte betrübt in den Kopf. »Mensch, Daniel! Wenn schon, dann auch richtig: Nicht Aschenputtel verwandelt sich in den Kürbis, sondern ihre Kutsche.«
Frederiks Lachen vibrierte durch meinen Körper. »Ich denke, mein Auto ist noch in seiner ursprünglichen Form und ich glaube nicht, dass die böse Hexe sich überhaupt an Helen heranwagt.«
Toll! Statt mich zu verteidigen, sorgte mein Begleiter für noch lauteres Gelächter. Selbst Don, der in der Küchentür stand und dem ich einen flehenden Blick zuwarf, grinste nur.
Ich sah Frederik strafend an, jedoch war er damit beschäftigt, Don zu mustern. Offenbar war er meinem Blick gefolgt. Dann drückte er meine Schulter und sagte: »Komm, wir gehen – oder möchtest du noch bleiben?«
So höflich, wie es mir in dem Moment möglich war, antwortete ich: »Nein, ich bin müde.«
Elenas Grinsen besagte, dass sie mir nicht ein Wort glaubte – aber sie wusste ja nicht, was für einen Tag ich hinter mir hatte!
Vor der Tür kam ich nicht darum herum, Elena und Mo zu umarmen, während wir uns verabschiedeten. Dann beobachteten sie ganz gebannt, wie ich in Frederiks Auto stieg. Der krönende Abschluss eines Tages, an dem ich mich ohnehin schon wie die Hauptattraktion im Zoo fühlte.
Deswegen konnte ich mir ein erleichtertes Stöhnen nicht verkneifen, nachdem wir endlich losgefahren waren.
»Deine Familie ist nett«, bemerkte Frederik.
Ich schnaubte nur. »Zu dir vielleicht.«
Selbst in der Dunkelheit konnte ich sein Grinsen erkennen, bevor er wieder einen neutralen Gesichtsausdruck zeigte. »War das eigentlich der Typ, den ich letztens am Telefon hatte?«
»Ja, das ist Don, Mos Bruder – weitere Begegnungen sind also nicht ausgeschlossen. Aber er ist in Ordnung«, erklärte ich und schloss erleichtert die Augen. Jetzt hier im Auto ließen meine Kopfschmerzen merklich nach. Ich hatte es schon immer gewusst: Ich hatte einfach eine Allergie gegen Menschen. Wenn ich nur einen Arzt dazu bekommen würde, mir das zu attestieren, wäre ich glücklich bis ans Ende meiner Tage.
»Hat Don denn auch verstanden, dass du nicht an ihm interessiert bist?«
Zwar trug Frederik die Frage entspannt vor, aber ich wurde hellhörig. Ich hatte schon geahnt, dass er anders an unser Arrangement heranging als ich.
»Wer sagt denn, dass ich nicht an ihm interessiert bin?« Ich dachte, ich würde Frederik damit reizen können und ihm gleichzeitig klarmachen, dass er keinerlei
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