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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Charon gehört, und schwer gepanzert, um den Belastungen des Nullraum-Strudels widerstehen zu können. Es kam direkt hierher, ohne auch nur den Ansatz eines Bremsmanövers.
    Während ich zum Kontrollraum hinunterhetzte, um mich an die Kontrollen zu setzen, kam mir ein Gedanke. Dies könnte das letzte sein. Wahrscheinlich nicht – natürlich. Noch immer liegen drei Monate vor mir, und das ist Zeit genug für ein Dutzend Schiffe. Aber man kann es nie wissen. Die Ringschiffe kommen unregelmäßig, wie gesagt.
    Irgendwie störte mich dieser Gedanke. Die Schiffe waren jetzt vier Jahre lang Teil meines Lebens. Ein wichtiger Teil. Und dieses eine heute könnte das letzte sein. Wenn ja, dann möchte ich es ganz hier drinnen haben. Ich möchte mich daran erinnern. Aus gutem Grund, glaube ich. Wenn die Schiffe kommen, macht das alles andere lebenswert.
    Der Kontrollraum liegt im Herzen meiner Behausungen. Er ist das Zentrum von allem hier, der Punkt, an dem die Nerven und die Sehnen und die Muskeln der Station zusammengefaßt sind. Aber er ist nicht sehr eindrucksvoll. Der Raum ist sehr klein, und sobald die Tür zugleitet, sind die Wände und der Boden und die Decke alle konturenloses Weiß.
    Es gibt nur eines in diesem Raum: eine hufeisenförmige Konsole, die einen einzelnen gepolsterten Sessel umgürtet.
    Ich setzte mich zum möglicherweise letztenmal in diesen Sessel. Ich schnallte mich an und setzte den Kopfhörer auf und senkte den Helm. Ich griff nach den Kontrollen und berührte sie und schaltete sie ein.
    Und der Kontrollraum verschwand.
    Es wird natürlich alles mit Hologrammen gemacht. Ich weiß das. Aber das macht nicht den geringsten Unterschied, wenn ich in diesem Sessel sitze. Denn soweit es mich betrifft: Ich bin nicht mehr drinnen. Ich bin dort draußen, im Nichts. Die Kontrollkonsole ist noch da, dazu der Sessel. Aber der Rest ist verschwunden. Statt dessen ist die schmerzende Finsternis überall, über mir, unter mir, rings um mich her. Die ferne Sonne ist nur ein Stern unter vielen, und alle Sterne sind schrecklich weit entfernt.
    So ist es immer. So war es heute. Als ich diesen Schalter kippte, war ich allein im Universum, allein mit den kalten Sternen und dem Ring. Dem Cerberus-Sternenring.
    Ich sah den Ring wie von außerhalb, schaute auf ihn hinunter. Es ist eine gewaltige Konstruktion, wirklich. Aber von hier draußen ist sie nichts. Sie wird von der Gigantonomie des Ganzen verschluckt, ein schmaler Silberfaden, verloren im Schwarz.
    Aber ich weiß es besser. Der Ring ist riesig. Meine Wohnräume nehmen nur einen einzigen Bogengrad in dem Kreis ein, den er bildet, einen Kreis, dessen Durchmesser mehr als hundert Meilen beträgt. Der Rest sind Stromkreise und Ortungsapparaturen und Energiereserven. Und die Maschinen, die wartenden Nullraum-Maschinen.
    Der Ring drehte sich still unter mir, seine andere Seite dehnte sich aus ins Nichts. Ich berührte einen Schalter an meiner Konsole. Unter mir erwachten die Nullraum-Maschinen.
    Im Zentrum des Ringes wurde ein neuer Stern geboren.
    Zuerst war es ein winziger Tupfer mitten in der Dunkelheit. Grün heute, hellgrün. Aber nicht immer und nicht lange. Der Nullraum hat viele Farben.
    Dann konnte ich die andere Seite des Ringes sehen, wenn ich das wollte. Sie leuchtete in einem eigenen Licht. Lebendig und wach gossen die Nullraum-Maschinen unvorstellbare Mengen von Energie ins Innere, um ein weites Loch in den Raum zu reißen.
    Das Loch war lange vor Cerberus dagewesen, lange vor den Menschen. Die Menschen haben es entdeckt, ganz zufällig, als sie Pluto erreichten. Sie bauten den Ring darum herum. Später fanden sie zwei weitere Löcher und bauten andere Sternenringe.
    Die Löcher waren klein, zu klein. Aber sie konnten vergrößert werden. Vorübergehend, auf Kosten riesiger Energiemengen, konnte man sie aufreißen. Reine Energie konnte durch das winzige, unsichtbare Loch im Universum gepumpt werden, bis die ruhige Oberfläche des Nullraums wogte und zurückpeitschte und der Nullraum-Strudel entstand.
    Und jetzt geschah es.
    Der Stern im Zentrum des Ringes wuchs und wurde flach. Es war eine pulsierende Scheibe, keine Kugel. Aber sie war noch das hellste Ding am Himmel. Und sie schwoll sichtbar an. Aus der sich drehenden grünen Scheibe zuckten flammenartige orangene Speere hervor und fielen zurück, und rauchige, bläuliche Tentakel entrollten sich. Rote Flecken tanzten und blitzten zwischen dem Grün, wuchsen und verschmolzen. Alle Farben begannen

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