Die zweite Stufe der Einsamkeit
in denen denke ich, ich bin der einzige Mensch im Universum. Die Erde war bloß ein Fiebertraum. Die Leute, an die ich mich erinnere, waren nur Schöpfungen meines eigenen Verstandes.
Es gibt Zeiten hier draußen, in denen ich jemanden hier haben möchte, jemanden, mit dem ich reden kann; ein Wunsch, so stark, daß ich schreie und anfange, gegen die Wände zu hämmern. Es gibt Zeiten, in denen mir die Langeweile unter die Haut kriecht und mich fast verrückt macht.
Aber es gibt auch andere Zeiten. Wenn die Ringschiffe kommen. Wenn ich hinausgehe, um Reparaturen zu erledigen. Oder wenn ich einfach im Kontrollsessel sitze und mich hinausdenke – hinaus, in die Dunkelheit, um die Sterne zu beobachten.
Einsam? Ja. Aber eine feierliche, grüblerische, tragische Einsamkeit. Eine irgendwie von Erhabenheit gefärbte Einsamkeit. Eine Einsamkeit, die ein Mensch voller Leidenschaft haßt – und doch so sehr liebt, daß ihm nach mehr verlangt.
Und dann gibt es die zweite Stufe der Einsamkeit.
Für diese Einsamkeit braucht man den Cerberus-Sternenring nicht. Man kann sie überall auf der Erde finden. Ich weiß es. Ich habe sie gefunden. Ich habe sie überall gefunden, überall, wo ich hingegangen bin, bei allem, was ich getan habe.
Es ist die Einsamkeit jener Leute, die in sich selbst gefangen sind. Die Einsamkeit von Leuten, die so oft das Falsche gesagt haben, daß sie überhaupt nicht mehr den Mut haben, noch irgend etwas zu sagen. Die Einsamkeit … nicht die der Ferne, sondern die der Angst.
Die Einsamkeit von Leuten, die allein in möblierten Zimmern in überbevölkerten Städten sitzen, weil sie nicht wissen, wohin sie gehen können, und niemanden haben, mit dem sie reden könnten. Die Einsamkeit von Burschen, die in Bars gehen, um jemanden anzusprechen, nur um zu entdecken, daß sie nicht wissen, wie man eine Unterhaltung anfängt, und auch gar nicht den Mut dazu hätten, das zu tun, selbst wenn sie es wüßten.
Es ist keine Erhabenheit an dieser Art von Einsamkeit. Kein Zweck und keine Poesie. Es ist Einsamkeit ohne Bedeutung. Sie ist traurig und verkommen und pathetisch, und sie stinkt nach Selbstmitleid.
Oh ja, es tut manchmal weh, allein unter den Sternen zu sein. Aber es schmerzt viel mehr, auf einer Party allein zu sein. Viel mehr.
30. Juni
Lese gestrigen Eintrag. Gerede über Selbstmitleid …
1. Juli
Lese gestrigen Eintrag. Meine vorlaute Maske. Nach vier Jahren kämpfe ich noch immer dagegen an, sooft ich versuche, ehrlich zu mir selbst zu sein. Das ist nicht gut. Wenn die Dinge diesmal anders laufen sollen, muß ich mich selbst verstehen.
Weshalb also muß ich mich lächerlich machen, wenn ich zugebe, daß ich einsam und verletzlich bin? Warum muß ich mich anstrengen, um zugeben zu können, daß ich vor dem Leben Angst gehabt habe? Niemand wird dieses Ding je lesen. Ich rede mit mir selbst über mich.
Weshalb gibt es also gewisse Dinge, wo ich mich nicht dazu bringen kann, sie auszusprechen?
4. Juli
Kein Ringschiff heute. Zu schade. Die Erde hat nie Feuerwerke gehabt, die es mit dem Nullraum-Strudel aufnehmen könnten, und mir war nach Feiern zumute.
Aber warum benutze ich hier draußen einen Kalender, hier draußen, wo die Jahre Jahrhunderte sind und die Jahreszeiten eine vage Erinnerung? Juli ist genauso wie Dezember. Also: Was hat es für einen Sinn?
10. Juli
In der letzten Nacht habe ich von Karen geträumt. Und jetzt kann ich sie nicht mehr aus meinem Schädel herausbekommen.
Ich dachte, ich hätte sie schon lange begraben. Es war sowieso bloß eine Träumerei. Oh, sie hat mich wohl ziemlich gerne gehabt. Mich vielleicht geliebt. Aber nicht mehr als ein halbes Dutzend anderer Burschen. Ich war nicht wirklich besonders für sie, und sie hat nie gemerkt, wie besonders sie für mich war.
Auch nicht, wie sehr ich etwas Besonderes für sie sein wollte – wie sehr ich es gebraucht hätte, für jemanden irgendwo etwas Besonderes zu sein.
So hab ich sie erwählt. Aber es war alles eine Träumerei. Und ich wußte, daß es das war, in meinen vernünftigeren Augenblicken. Ich hatte kein Recht, so verletzt zu sein. Ich hatte kein spezielles Anrecht auf sie.
Aber ich dachte, das hätte ich, in meinen Tagträumen. Und ich war verletzt. Es war mein Fehler, nicht ihrer. Karen würde nie absichtlich jemandem wehtun. Sie hat einfach nie gemerkt, wie empfindlich ich war.
In den ersten Jahren habe ich sogar hier draußen weitergeträumt. Ich habe davon geträumt, wie sie ihre
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