Die zweite Stufe der Einsamkeit
Die Tür schmetterte auf, und der Sturm fauchte herein und packte mich, wirbelte mich hinaus und herum und herum. Ich segelte hinauf zu den kalten Sternen, aber sie waren nicht mehr länger kalt, und ich wuchs, wurde größer und größer, bis ich die Sterne war, und sie waren in mir, und ich war die Einheit, und für einen einzigen, einzigartigen strahlenden Augenblick war ich das Universum.
Dann nichts mehr.
Ich wachte erst in meinem Zimmer wieder auf, mit Kopfschmerzen, die mir den Schädel zu sprengen drohten. Gourlay saß in einem Clubsessel in der Nähe und las in einem unserer Bücher. Als ich stöhnte, sah er auf.
Lyas Kopfschmerztabletten lagen noch immer auf dem Nachttischchen. Ich nahm hastig eine, dann stemmte ich mich mühsam hoch, setzte mich aufrecht.
„Fühlen Sie sich wieder in Ordnung?“ fragte Gourlay.
„Kopfschmerzen“, sagte ich und massierte mir die Stirn. Sie pulsierte, als wollte sie jeden Augenblick bersten. Es war schlimmer als damals, als ich in Lyas Schmerzen hineingetaucht war. „Was ist passiert?“
Er stand auf. „Sie haben uns eine Höllenangst eingejagt. Nachdem Sie zu lesen begonnen hatten, zitterten Sie plötzlich. Dann sind Sie geradewegs auf diesen verdammten Greeshka zumarschiert. Und sie haben geschrien. Dino und der Sergeant mußten Sie herauszerren. Sie waren regelrecht in das Ding hineingestiegen, und es ging Ihnen bis an die Knie. Es hat gezuckt. Grausam. Dino hat Sie geschlagen, weil Sie sich gewehrt haben.“
Er schüttelte den Kopf und ging zur Tür hinüber. „Wohin gehen Sie?“ fragte ich.
„Schlafen“, sagte er. „Sie waren jetzt gut acht Stunden lang weggetreten. Dino hat mich gebeten, bei Ihnen zu bleiben, bis Sie aufwachen. Gut, Sie sind aufgewacht. Jetzt ruhen Sie sich aus, und ich tue das auch. Wir werden morgen darüber reden.“
„Ich will jetzt darüber reden.“
„Es ist spät“, sagte er, als er die Schlafzimmertür schloß. Ich lauschte seinen Schritten, als er hinausging. Und ich bin sicher, daß ich hörte, wie er die Außentür verschloß. Offenbar hatte jemand große Angst vor Talenten, die sich in der Nacht davonstahlen. Ich ging nirgendwo hin.
Ich stand auf und holte mir einen Drink. In der Kühlbox war Veltaar. Hastig spülte ich ein paar Gläser hinunter, dann nahm ich einen leichten Imbiß zu mir. Die Kopfschmerzen begannen sich aufzulösen. Dann ging ich ins Schlafzimmer zurück, drehte das Licht aus und machte das Fensterglas hell und durchsichtig, so daß alle Sterne hereinscheinen konnten. Dann kletterte ich wieder ins Bett und versuchte zu schlafen.
Aber ich habe nicht geschlafen, nicht wirklich. Zu viel war passiert. Ich mußte darüber nachdenken. Zuerst die Kopfschmerzen, diese unglaublichen Kopfschmerzen, die in meinem Schädel gewütet hatten. Wie bei Lya. Aber Lya hatte nicht das durchgemacht, was ich durchgemacht hatte. Oder? Lya war ein starkes Talent, viel sensibler als ich, mit einer weiteren Reichweite. Konnte der Gedankensturm so weit herausgegriffen haben, über Meilen und Meilen hinweg? Spät in der Nacht, wenn Menschen und Shkeen schliefen und ihre Gedanken nur noch glühten? Vielleicht. Und vielleicht waren meine halberinnerlichen Träume die verblassenden Fragmente dessen, was Lya in diesen Nächten gefühlt hatte. Aber meine Träume waren angenehm gewesen. Es war das Erwachen gewesen, das mich gequält hatte, aufzuwachen und sich an nichts erinnern zu können.
Aber noch einmal: Hatte ich diese Kopfschmerzen gehabt, im Schlaf? Oder nachdem ich erwacht war?
Was, zur Hölle, war passiert? Was war das für ein Ding gewesen, das mich in dieser Höhle gepackt und zu sich herangezerrt hatte? Der Greeshka? Er mußte es gewesen sein. Ich hatte nicht einmal die Zeit gehabt, mich auf die Shkeen-Frau zu konzentrieren, es mußte der Greeshka gewesen sein. Aber Lyanna hatte gesagt, die Greeshka besaßen keinen Geist, nicht einmal ein Ja-ich-lebe …
All das wirbelte um mich herum – Fragen über Fragen über Fragen –, und ich hatte keine Antworten. Dann begann ich an Lya zu denken. Ich überlegte, wo sie jetzt wohl war und warum sie mich verlassen hatte. War es das gewesen, was sie gemeint hatte? Warum hatte ich es nicht verstanden? Dann vermißte ich sie. Ich brauchte sie, wollte sie an meiner Seite haben, und sie war nicht da. Ich war allein, und es war mir sehr eindringlich bewußt.
Ich schlief.
Lange Dunkelheit, aber endlich ein Traum, und endlich erinnerte ich mich. Ich war auf die Ebene
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