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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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zurückgekehrt, diese unendlich große Ebene mit ihrem Sternenlosen Himmel und den schwarzen Schatten in der Ferne, jene Ebene, von der Lya so oft gesprochen hatte. Sie stammte aus einem ihrer Lieblingsgedichte. Ich war allein, auf ewig allein, und ich wußte das. Das war die Natur der Dinge. Ich war die einzige Realität dieses Universums, und mir war kalt, ich war hungrig, und ich hatte Angst, und die dunklen Gestalten bewegten sich auf mich zu; unmenschlich und unbarmherzig. Und es gab niemanden, den ich hätte rufen, niemanden, den ich hätte um Hilfe bitten können, niemanden, der meine Schreie hören würde. Es hatte niemals jemanden gegeben. Es würde niemals jemanden geben.
    Und dann kam Lya zu mir.
    Sie glitt aus dem Sternenlosen Himmel zu mir herunter, bleich und schmal und zerbrechlich, und dann stand sie neben mir auf der Ebene. Mit einer Hand wischte sie sich das Haar zurück, und aus großen, glänzenden Augen heraus sah sie mich an und lächelte. Und ich wußte, das war kein Traum. Sie war bei mir, irgendwie. Wir sprachen miteinander.
    Hallo, Robb.
    Lya? Hallo, Lya. Wo bist du? Du hast mich verlassen.
    Es tut mir leid, aber ich mußte es tun. Du wirst es verstehen, Robb. Du mußt. Ich wollte niemals wieder hiersein müssen, an diesem Ort, diesem fürchterlichen Ort. Ich wäre wieder hierhergekommen, Robb. Die Menschen sind immer hier, aber immer nur für kurze Augenblicke.
    Eine Berührung und eine Stimme?
    Ja, Robb. Dann wieder Finsternis … und Stille. Und die dunkle Ebene.
    Du bringst zwei Gedichte durcheinander, Lya. Aber es ist schon in Ordnung. Du kennst sie besser als ich. Aber hast du nicht etwas ausgelassen? Den Teil davor? „Ah, Liebste, laß uns treu einander sein …“
    Oh, Robb.
    Wo bist du?
    Ich bin … überall. Aber im wesentlichen in einer Höhle. Ich war bereit, Robb. Ich war viel weiter offen als die anderen. Ich konnte die Versammlung überspringen und auch das Gebundensein. Mein Talent hat mich auf das Teilen vorbereitet. Sie haben mich aufgenommen.
    Die Letzte Vereinigung?
    Ja.
    Oh, Lya.
    Robb. Bitte. Komm zu uns, komm zu mir. Es ist Glücklichsein, weißt du. Für immer und ewig – und Zusammengehören und Teilen und Einssein. Ich liebe, Robb, ich liebe eine Milliarde Milliarden Leute, und ich kenne sie alle besser, als ich dich jemals gekannt habe, und sie kennen mich, alles von mir, und sie lieben mich. Es wird ewig andauern. Wir. Uns. Die Einigkeit. Ich bin nach wie vor ich selbst, aber ich bin auch sie, verstehst du? Und sie sind ich. Die Gebundenen, das Lesen – all das hat mich geöffnet, und die Vereinigung hat in jeder Nacht nach mir gerufen, weil sie mich geliebt hat, verstehst du? Oh Robb, komm zu uns, komm zu uns. Ich liebe dich.
    Die Vereinigung. Die Greeshka, meinst du. Ich liebe dich, Lya. Bitte, komm zurück. Sie können dich noch nicht ganz absorbiert haben. Sag mir, wo du bist, ich werde kommen.
    Ja, komm zu mir. Komm irgendwohin, Robb. Die Greeshka sind ein einziges Wesen, die Höhlen vereinigen sich unter den Hügeln, die kleinen Greeshka sind alle Teil der Vereinigung. Komm zu mir und vereine dich mit mir. Liebe mich so, wie du gesagt hast, du würdest mich lieben. Vereine dich mit mir. Du bist so weit weg. Ich kann dich kaum erreichen, trotz der Vereinigung. Komm und sei eins mit uns allen.
    Nein. Ich will nicht gefressen werden. Bitte, Lya, sag mir, wo du bist.
    Armer Robb. Sei nicht traurig, Lieber. Der Körper ist nicht wichtig. Das Greeshka braucht ihn als Nahrung, und wir brauchen das Greeshka. Aber, oh, Robb, die Vereinigung ist mehr als das Greeshka, verstehst du denn nicht? Das Greeshka ist unwichtig, es hat nicht einmal einen Geist, es ist nur das Verbindungsglied, das Medium, die Vereinigung sind die Shkeen, eine Million Milliarden Milliarden Shkeen, alle Shkeen, die in diesen vierzehntausend Jahren gelebt haben, gebunden waren, alle vereint in Liebe und Zusammengehörigkeit, unsterblich und eins. Es ist wunderbar, Robb, es ist mehr, als wir hatten, viel mehr, und dabei waren wir vom Schicksal begünstigt, nicht wahr? Wir waren es! Aber dies hier ist besser.
    Lya. Meine Lya. Ich habe dich geliebt. Dies ist nichts für dich, dies ist nichts für Menschen. Komm zu mir zurück.
    Das ist nichts für Menschen? Oh, aber das ist es! Es ist das, was die Menschen schon immer gesucht haben, wonach sie sich gesehnt haben, wonach sie in einsamen Nächten geweint haben. Es ist Liebe, Robb, richtige Liebe, und menschliche Liebe ist nur ein blasser Abglanz.

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