Die zweite Stufe der Einsamkeit
nichts.“
Er zuckte die Schultern. „Vielleicht nicht. Aber der Ausflug ist angesetzt, und wir haben nichts zu verlieren. Wir können jederzeit einen zweiten Versuch starten, wenn Lya zurück ist. Außerdem wird es Ihnen vermutlich ganz guttun, wenn Sie auf andere Gedanken kommen. Es gibt nichts, was sie momentan für Lya tun könnten. Ich habe jeden verfügbaren Mann losgeschickt, um sie zu suchen, und wenn die sie nicht finden, dann finden Sie sie erst recht nicht. Deshalb hat es keinen Sinn, herumzusitzen und sich Vorwürfe zu machen. Besser zurück zum Streß, sich beschäftigt halten.“ Er drehte sich um und ging zum Lift. „Kommen Sie. Ein Luftauto ist bereitgestellt. Nelse geht auch mit.“
Zögernd stand ich auf. Ich war nicht in der Stimmung, mich mit den Problemen der Shkeen herumzuschlagen, aber Valcarenghis Argumente klangen ziemlich vernünftig. Außerdem – er hatte Lyanna und mich engagiert, und wir hatten ihm gegenüber noch immer eine Verpflichtung. Ich konnte es wenigstens versuchen, dachte ich.
Auf dem Flug hinaus saß Valcarenghi vorne, neben dem Piloten, einem ungeschlachten Polizeisergeanten mit einem Gesicht, das aus Granit gemeißelt schien. Er hatte diesmal einen Polizeiwagen gewählt, damit wir über die Suche nach Lya auf dem laufenden gehalten werden konnten. Gourlay und ich saßen auf dem Rücksitz. Gourlay hatte eine große Landkarte auf unseren Knien ausgebreitet, und er berichtete mir von den Höhlen der Letzten Vereinigung.
„Es heißt, die Höhlen seien die ursprüngliche Heimat der Greeshka“, sagte er. „Möglicherweise wahr, es ergibt einen Sinn. Die Greeshka dort unten sind viel größer. Sie werden sehen. Die Höhlen durchziehen die ganzen Hügel, fort von unserem Teil der Shkeen-Stadt, dorthin, wo das Land unbebaut ist. Eine ordentliche kleine Honigwabe an der anderen. Und in jeder einzelnen – ein Greeshka. Hab’ ich jedenfalls gehört. Bin selber in ein paar Höhlen gewesen – und in denen war immer ein Greeshka. Deshalb glaube ich auch, was man sich über die restlichen Katakomben erzählt. Die Stadt, die heilige Stadt, nun, vielleicht ist sie gerade wegen den Höhlen hier gebaut worden. Die Shkeen kommen vom ganzen Kontinent hierher – wegen der Letzten Vereinigung. Das hier ist die Region der Höhlen.“ Er zog einen Schreiber heraus und zog einen dicken, roten Kreis in der Nähe der Kartenmitte. Für mich war es bedeutungslos. Die Karte rief eine unbestimmte Angst in mir hervor. Ich hatte nicht gewußt, daß die Shkeen-Stadt so riesig war. Wie, zur Hölle, konnten sie da jemanden finden, der nicht gefunden werden wollte?
Valcarenghi drehte sich um und sah zu uns zurück. „Die Höhle, zu der wir gehen, ist – im Verhältnis zu den anderen – recht groß. Ich bin schon einmal dort gewesen. Was die Letzte Vereinigung betrifft – es gibt kein Ritual, wissen Sie. Die Shkeen suchen sich einfach eine Höhle aus, gehen hinein und legen sich auf den Greeshka. Sie benutzen den Eingang, der ihnen gerade am bequemsten ist. Manche von ihnen sind nicht größer als Abflußrohre, aber es heißt, wenn man weit genug vordringt, stößt man unweigerlich auf einen Greeshka, der in der Dunkelheit sitzt und pulsiert. Die größeren Höhlen sind mit Fackeln erleuchtet, wie die Große Halle, aber das ist nur ein Luxus. Für die Letzte Vereinigung spielt es keine Rolle.“
„Ich nehme an, in eine solche Höhle wollen wir“, sagte ich.
Valcarenghi nickte. „Richtig. Ich habe mir gedacht, Sie würden einmal sehen wollen, wie ein ausgewachsener Greeshka aussieht. Es ist kein schöner Anblick, aber lehrreich. Deshalb brauchen wir die Beleuchtung.“
Dann fuhr Gourlay mit seinen Erläuterungen fort, aber ich schaltete ab. Ich fühlte, daß ich genug über die Shkeen und die Greeshka wußte, und ich machte mir noch immer Sorgen um Lya. Nach einer Weile war er fertig, und der Rest des Fluges verlief in Schweigen. Wir waren noch nie zuvor so weit ins Landesinnere vorgestoßen. Selbst der Turm – unser glänzendes stählernes Wahrzeichen – war von den Hügeln hinter uns verschluckt worden.
Das Land wurde rauher, felsiger und dichter überwuchert, und die Hügel wuchsen höher und bizarrer an. Aber auch hier erstreckten sich die Kuppelhäuser, weiter und weiter, und überall waren Shkeen. Lya konnte irgendwo dort unten sein, dachte ich, dort unten – verloren in diesen wimmelnden Millionen. Nach was suchte sie? Was dachte sie?
Endlich landeten wir in einem bewaldeten Tal
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