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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ersten Durchsicht fertig. Jetzt begann er mit der zweiten Lesung; diesmal ließ er sich Zeit und machte gelegentlich Notizen auf dem gelben Block, den er neben sich liegen hatte.
    Um elf brachte Monica ihm eine Thermosflasche mit Kaffee und erklärte, sie wolle eine Stunde fernsehen und dann zu Bett gehen. Er lächelte abwesend, gab ihr einen Kuß auf die Wange und wandte sich wieder seiner Lektüre zu. Gegen ein Uhr schloß er die zweite Lesung ab, legte das gesamte Material in Aktendeckel ab und verstaute sie im untersten Fach eines verschließbaren Stahlschranks. Dann kramte er einen Stadtplan von Manhattan heraus und suchte den Tatort; die Mott Street, zwischen Prince Street und Spring Street.

    Er kannte die Gegend; vor etwa zwanzig Jahren, er war noch Streifenpolizist, hatte man ihn dort während der Urlaubszeit vorübergehend als Vertretung hinbeordert. Damals wohnten in dieser Gegend, die einen Teil von Little Italy bildete, fast ausschließlich Italiener. Delaney erinnerte sich noch, wieviel Spaß ihm das San Gennaro-Fest in der Mulberry Street gemacht hatte, eines der großen Volksgruppenfeste, die in New York gefeiert werden.
    Man teilte ihm Alberto Di Lucca als zweiten Mann zu. Big Al war ein dickbäuchiger, rotweintrinkender Spaghettivertilger und machte Delaney mit den Köstlichkeiten der italienischen Küche bekannt. Außerdem verdankte er ihm die Kenntnis vieler Tricks und Schliche, die man als Polizeibeamter beherrschen muß.
    Im Juli jenen Jahres wurde ein Lagerhaus in der Elizabeth Street ausgeraubt. Vier maskierte und bewaffnete Männer brachen ein, fesselten den Nachtwächter und fuhren mit einem riesigen Laster voll importierten Olivenöls davon - für Di Lucca, dem nichts über Spaghetti al'olio ging, ein Kapitalverbrechen.
    «Eines mußt du wissen», erklärte er Delaney. «Wir haben eine ganze Menge böse Buben in diesem Revier. Aber für gewöhnlich gehen sie nach außerhalb, wenn sie ein Ding drehen oder sich amüsieren wollen. Das ist wie ein ungeschriebenes Gesetz: man scheißt nicht in das eigene Wohnzimmer. Aber egal wie - in diesem Fall hab ich das Gefühl, es waren doch Burschen von hier.»
    «Wie kommst du darauf?» fragte Delaney.
    «Nimm doch mal den Nachtwächter. Schwere Jungs, die nicht von hier stammen, hätten ihn erschossen, zusammengeschlagen, besinnungslos gemacht. Aber nein, dieser alte Mann wird höflich gebeten, sich auf einem Haufen Säcke niederzulegen und dann gefesselt; anschließend kleben sie ihm sehr behutsam ein Stück Heftpflaster über den Mund. Und ehe die Ganoven abziehen, fragen sie ihn noch, ob er auch recht bequem liegt. Ob er auch richtig atmen kann. Sie reißen sich ein Bein für ihn aus, fehlt nur, daß sie ihm das Frühstück ans Bett bringen. Ich glaube, er kannte sie, und sie kannten ihn. Vielleicht hat er die ganze Sache sogar eingefädelt. Er hat viele Verwandte und massenhaft junge, unternehmungslustige Neffen. Einer von denen, Anthony Scorese, ist ein besonders schlimmes Früchtchen. Er rennt mit drei Kumpels rum: Vito Gervase, Robert Scheinfeit - auch ein Italiener, nur dem Namen nach nicht - und einem sauberen Bürschchen namens Guiseppe. Wie der mit Nachnamen heißt, weiß ich nicht, aber alle nennen ihn Kid Stick. Ich glaube, dieses Gaunerquartett hat das Ding gedreht. Hören wir uns mal um, ob sie die Spendierhosen anhaben.»
    Di Lucca und Delaney hörten sich um, und in der Tat, die vier hatten Geld ausgegeben. Nicht besonders viel, aber immerhin genug, um den Schluß nahezulegen, daß sie plötzlich zu Wohlstand gekommen seien; teuren Wein und Strega zu den Mahlzeiten, schicke Bräute von Uptown und neue Alligatorschuhe.
    «Jetzt werden wir ihnen die Gräten brechen», sagte Di Lucca zu Delaney. «Sie haben sich ewige Treue geschworen, auf dem Grab ihrer Mütter. Eher sterben sie, als daß sie reden. Das haben sie geschworen. Aber jetzt paß mal auf! Ich werde diesen stupidi den Hals abdrehen. Ich rede italienisch mit ihnen und sage dir nachher, wie es gegangen ist.»
    Di Lucca knöpfte sich jeden einzelnen der vier Verdächtigen allein vor. So fragte er Anthony Scorese zum Beispiel, wo er zur Zeit des Diebstahls gewesen sei. «Im Bett», sagte Scorese und lachte dann. «Ich habe sogar 'ne Zeugin. Eine Blondine - die wird Ihnen das bestätigen.»
    «Im Bett mit einer Blondine?» sagte Di Lucca und setzte ein rätselhaftes Lächeln auf. «Vito Gervase behauptet aber was anderes.»
    Dabei ließ er es bewenden und nahm sich Gervase

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