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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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aus welchen Gründen auch immer geplant und mit Vorbedacht begangen hatte, war es Mord. Delaney schüttelte bekümmert den Kopf. Entschied er sich für das eine oder das andere, würde das bestimmend für die Art und Weise sein, wie er den Fall anpackte, das wußte er. Kaum hatte er sich darauf eingelassen, sah er sich bereits der Frage gegenüber, an der die Polizei gescheitert war. Endlich holte er tief Atem und schrieb auf das Etikett des Hefters «Mord an Victor Maitland» und ließ es dabei bewenden.
    Dann heftete er die beiden Blätter mit den Notizen ein, die er bei der Durchsicht der Akten gemacht hatte, und entwarf anschließend seinen Schlachtplan. Noch versuchte er nicht, die Einfälle, die ihm dabei kamen, systematisch zu ordnen, er notierte sie ganz einfach so, wie sie ihm in den Sinn kamen.
    Erst als ihm nichts mehr einfiel, machte er sich daran, sie methodisch zu ordnen. Methodik war ebenso wichtig wie die Einfälle selbst. Es kam darauf an, eine gewisse logische Stimmigkeit herzustellen, und das fiel ihm nicht leicht. Als das geschafft war, heftete er auch dieses Blatt ein. Nicht übel. Er besaß nun bereits eine eigene Akte, während die Akte Maitland bislang nur die Ergebnisse der Arbeit anderer festgehalten hatte. Während er dabei war, weitere Hefter mit der Aufschrift OPFER, AGENT, EHEFRAU, MÄTRESSEN usw. zu versehen, klingelte das Telefon.
    «Eduard X. Delaney», meldete er sich.
    «Sergeant Abner Boone.»
    Es folgte eine Pause; jeder wartete darauf, daß der andere etwas sagte. Schließlich fragte Delaney: «Thorsen hat mir gesagt, daß Sie sich melden würden. Wann können wir uns treffen?»
    «Wann es Ihnen paßt, Sir.»
    Die Stimme klang belegt, nicht ganz fest, die Wörter wurden deutlich artikuliert, doch die Erregung des Sprechenden war zu spüren, beherrscht zwar, aber zweifellos vorhanden.
    Delaneys erste Regung war, den Mann zum Abendessen einzuladen. Fleisch und gebackene Kartoffeln reichten für einen Gast. Trotzdem überlegte er es sich anders. Klüger wäre es, die erste Begegnung mit Boone unter vier Augen stattfinden zu lassen. Er hatte dann einen Eindruck von dem Mann, bevor er ihn mit Frau und Kindern bekanntmachte.
    «Würde Ihnen heute abend um neun passen, Sergeant?» fragte er. «Bei mir zu Hause? Oder haben Sie schon was vor?»
    «Nein, Sir. Vor habe ich nichts. Neun würde mir gut passen. Wo Sie wohnen, weiß ich.»
    «Gut. Dann sehen wir uns also um neun.»
    Delaney holte die amtlichen Unterlagen aus seinem Aktenschrank und ordnete sie in seine neuen Hefter ein: OPFER, AGENT, EHEFRAU, MÄTRESSEN …
    Zu Mittag aß er ein Sandwich, trank ein Glas Milch, machte hinterher einen kurzen Spaziergang durch das Revier 251 und rauchte dabei eine Zigarre. Am frühen Nachmittag kehrte er nach Hause zurück und setzte die Sichtung der Akten fort. Das war langweilige Routine, aber daraus besteht der größte Teil einer Ermittlung. Tatsächlich verschaffte es ihm Befriedigung, «Ordnung in die Dinge zu bringen».
    Schließlich bestand die Arbeit der Polizei eben genau darin, Ordnung in einer ungeordneten Welt wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Das galt nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für Individuen. Polizeibeamte nicht ausgenommen. Deshalb die Unmasse von Formularen, die ständig steigende Flut von Vorschriften. Deshalb auch das formalistische und bisweilen lächerliche Kauderwelsch der Behörden. Ein Bulle nahm nie einen Gauner hoch. Zumindest nicht in seinem offiziellen Bericht oder einer Aussage vor Gericht. Da führte der Beamte die Festnahme eines Verdächtigen aus oder nahm einen Gesetzesübertreter in Gewahrsam.
    «Sergeant, wann sind Sie dem Angeklagten zum erstenmal begegnet?»
    «Ich näherte mich dem Angeklagten um neun Uhr fünfzehn am Morgen des zweiten April dieses Jahres, als er in den Räumen der in der Lexington Avenue, Ecke Ninetieth Street, New York City, Borough of Manhattan gelegenen Boogs Tavem randalierte. Ich wies mich als Polizeibeamter aus, machte ihn vorschriftsgemäß auf seine Rechte aufmerksam und nahm ihn wegen besagten Deliktes fest. Sodann verbrachte ich den Angeklagten auf die Wache des Reviers 251, wo er in Gewahrsam genommen wurde …»
    Ein rührendes Verlangen, Ordnung in ein irrwitziges Chaos zu bringen.
    So arbeitete Delaney denn an seinen Akten und versuchte, die Ermordung Victor Maitlands sinnvoll einzuordnen.
    Das Abendessen war gut, das Roastbeef innen noch roh, wie Delaney es gern mochte. Monica und die Mädchen

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