Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
konnte. Weder sie noch ihr Vater würden es albern finden. Aber sie hatte ja auch keine Ahnung, was ihre Tochter ihnen mitzuteilen im Begriff war .
    »Es war eine Welt, in der Vampire über die Menschen herrschten«, stieß sie dann endlich hervor. So hastig, als würde sie die Worte regelrecht ausspucken. »Und sie haben mich gejagt, überall auf der Welt«, sprudelte es weiter aus ihr hervor. »Weil es meine Aufgabe war, sie .« Lilith zögerte von neuem.
    »Ja?« ermunterte Creanna sie.
    »... sie auszurotten.«
    Sekundenlang sprach niemand ein Wort. Die Stille senkte sich wie ein tatsächliches Gewicht über sie, lastend, drückend.
    »Bescheuert, oder?« Lilith versuchte zu grinsen, doch es wurde nur ein kläglicher Zug um ihre Lippen daraus.
    Creanna nahm sie in den Arm.
    »Nein, es muß fürchterlich gewesen sein«, sagte sie voller ehrlichem Mitleid. »Aber es ist vorbei, es war nur ein Traum, Kindchen.«
    »Ja«, flüsterte auch Sean. »Nur ein Traum .«
    Die Wärme der Umarmung ihrer Mutter konnte nicht verhindern, daß ein neuerlicher Schauer Lilith überlief. Etwas wie ein jenseitiger Hauch streifte sie, auf völlig andere und unnennbare Weise kälter, als Eis und Frost es waren.
    Die Stimme ihres Vaters hatte nicht anteilnehmend geklungen, sondern auf seltsame Art zufrieden, wissend - und vor allem unsagbar fremd.
    Und seine Augen - für den Bruchteil einer Sekunde hatte Liliths Blick sich mit dem seinen vereinigt - schienen für eben diese Zeit- spanne nicht die seinen gewesen zu sein. Sondern die eines . Tieres?
    *
    Zur selben Zeit, nicht weit entfernt...
    Der junge Mann erwachte aus Träumen, die ihm verboten waren.
    Doch die Bilder - und vor allem, was sie bewirkten - vergingen, kaum daß er die Augen geöffnet hatte und die karge Einrichtung seiner Unterkunft wahrnahm. Das Kribbeln in seinen Lenden verebbte, und das dort gestaute Blut floß zurück.
    Soweit hatte er die Sache also schon im Griff.
    Doch das Zölibat, das ihm das angestrebte Amt abverlangte, war nicht sein eigentliches Problem. Im Grunde war es das geringste von allen.
    Zwar hatte er schon amouröse Erlebnisse hinter sich, aber irgendwie war jedes davon enttäuschend gewesen - nicht so aufregend jedenfalls, wie er es sich vorher in seiner Phantasie ausgemalt hatte. Und so hatte er Sex nie zu den Dingen gezählt, die einen festen Platz im Leben haben mußten - nicht in seinem zumindest. Sex war für ihn etwas, das ihm zweifelsohne Befriedigung verschafft hatte -doch das gleiche Gefühl konnte er für sich auch in anderen Dingen erlangen, die sicher auch eine Menge mit Liebe zu tun hatten, nur eben nicht körperlicher.
    Nein, seine Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung, Priester zu werden, gründeten auf anderen Dingen. Darauf zum Beispiel, ob diese Welt überhaupt noch mehr Männer in Soutanen brauchte, die das Wort Gottes verkündeten und den Menschen predigten, Gutes zu tun. Das taten sie doch ohnehin, und was die Bibel »das Böse« nannte, existierte augenscheinlich nur auf den Seiten dieses Buches der Bücher .
    Wozu sollte er sich also in den Dienst einer Sache stellen, die auch ohne sein Zutun funktionierte?
    Weil es nicht so bleiben muß, hörte er in Gedanken einmal mehr jene Stimme, die nicht seine eigene war, die sich aber immer dann meldete, wenn er stumme Zwiesprache mit sich selbst hielt - oder wortlos zu monologisieren glaubte. Denn, wie gesagt, war ihm jene Stimme zum einen fremd (wenn auch seltsam vertraut), und zum anderen widersprach sie oft genug seinen eigenen Gedanken und Überzeugungen.
    Irgendwann, dachte er, durch die andere Stimme in eine bestimmte Richtung bewegt, könnte »das Böse«, von dem bislang nur die Rede war, in Erscheinung treten - aufweiche Weise auch immer -, und dann bedurfte es Menschen, die gewappnet waren und ihm Paroli boten.
    Der Vergleich mit der Feuerwehr schien ihm nahezuliegen. Auch sie wurde nicht gebraucht, solange es nicht brannte. Aber wenn der Fall der Fälle eintrat, mußte sie eingreifen. Und die Menschen waren beruhigt der bloßen Tatsache wegen, daß dieser Notdienst bei Fuße stand, um im Bedarfsfall zu ihrem Wohle aktiv zu werden. Einen recht ähnlichen Zweck mochte die Priesterschaft erfüllen.
    Lächelnd, weil er mit sich im reinen war, stand der junge Mann auf. Und verharrte in halb gebückter Haltung, die einem zufälligen Beobachter grotesk vorgekommen wäre!
    Doch er war allein. Oder zumindest war niemand da, der sich über sein seltsames Verhalten hätte

Weitere Kostenlose Bücher