Die Zwerge
aufdringliche Bettler wehren; zwei alte, verlebte Dirnen machten sich über ihn lustig und fragten, ob alles so klein und haarig an ihm wäre.
Tungdil ignorierte sie, denn sie zogen sein Bild von der romantischen Liebe, wie er es aus den Büchern oder von Frala und ihrem Mann kannte, in den Schmutz. Er berührte ihr Halstuch und dachte wiederum an sie. Dass er sie und seine Patenkinder nicht mehr wieder sehen würde, schmerzte mehr als der Tod Lot-Ionans. So gern hätte er auf Sunja und Ikana Acht gegeben.
Seine Stimmung sank, und der Regen und die grauen Wolken, die ganze Trostlosigkeit Königssteins machten es nicht besser. Weitab von ihrer zweifelhaften Herberge fand er einen Pferdehändler, der ihm die notwendige Anzahl von Ponys verkaufen wollte, doch dazu sollte er morgen noch einmal vorbeischauen. Bei einem Krämer bestellte er Proviant für die weitere Reise und erstand einen Kuchen, weil ihn der Anblick zu sehr lockte. Die Obstschnitze, die aus dem aufgegangenen braunen Teig hervorschauten, machten ihn hungrig. Hier und da hatten sich in der dünnen, goldgelben Schicht aus Zimtbutterstreuseln leckere Klümpchen gebildet, und die darunter gemischten Rumrosinen schauten als dunkle Punkte hervor. Tungdil musste schlucken und kaufte ihn ganz, um ihn mit in die Herberge zu nehmen. Vielleicht schaffte es der Kuchen, seine schlechten Gedanken zu vertreiben.
Als es in der Stadt stockdunkel geworden war, machte er sich zusammen mit seinem dick eingepackten Kuchen auf den Rückweg. Mit widerlichen Geräuschen hoben sich seine Stiefel aus dem Schlamm und Unrat; der Regen verwandelte den ungepflasterten Teil der Straße in eine schmierige Matschfläche.
Wie kann man nur freiwillig in so einer Stadt leben? Natürlich rutschte er aus. Sein rechter Fuß glitt in aufgeweichtem Pferdedung aus, er stolperte vorwärts und stützte sich mit einer Hand ab, um nicht ganz in den Dreck zu fallen. Der Kuchen entkam dem Schlammbad nur um Haaresbreite. Ein Stollen oder ein Gebirge sind mir tausendmal lieber.
Ein scharfer Wind zischte an seinem Kopf vorüber und streifte sein linkes Ohrläppchen. Ein brennender Stich ließ ihn vor Überraschung und Schmerz aufschreien. Er tastete nach seinem Ohr und fühlte warmes Blut an seinem Hals hinablaufen.
Tungdil wirbelte herum, die Axt flog in seine freie Hand. »Ihr werdet mir meine Börse und meinen Kuchen …« Er verstummte. Sie haben uns gefunden!
Am Ende der Gasse stand der Alb, der ihm in Mifurdania beinahe den Hals durchgeschnitten hätte; sein Umhang wehte im stinkenden Gossenwind. Ein zweiter Pfeil lag auf der Sehne seines großen Bogens, und die Finger gaben ihn in ebendiesem Augenblick frei.
Etwas Großes flog seitlich heran. Tungdil sah lilafarbenes Leuchten und eine glänzende Fratze aus Silber, dann erhielt er einen unglaublich harten Stoß, der ihn kopfüber in die nächste Seitenstraße schleuderte. Er fiel in den Matsch und rutschte vier Schritte weit, eine breite Spur hinter sich her ziehend.
Was … Benommen rollte er sich auf den Rücken, zog die Axt heran und rechnete damit, dass der Alb erschien, um ihn zu töten, doch es tat sich nichts. Stöhnend richtete er sich auf. Bräunlicher Schlamm hatte sich in den kleinsten Ring seines Kettenhemds gedrückt. Er sah aus wie ein Schwein, das sich gesuhlt hatte.
Vorsichtig pirschte er um die Ecke. Die Gasse war bis auf den Kuchen leer, die wenigen Spuren wurden vom starken Regen verwaschen. Alles, was er fand, war ein schwarzer Albaepfeil und eine seltsame grellgelbe Flüssigkeit, die sich mit dem Wasser mischte.
Wieso hat er mich verschont? Sein Ohrläppchen brannte. Und wer hat mich gerettet? Es fühlte sich an wie eine Wand, die mich fortgeschleudert hat. Er versuchte, sich genauer zu erinnern. Wenn ich nicht wüsste, dass Djer_n …
Eilig und um den leckeren Kuchen trauernd, lief er zurück zu ihrer Unterkunft. Dabei hatte er seine Augen überall, um nicht doch noch dem Anschlag eines Albs zum Opfer zu fallen. Er fegte in das Wirtshaus und rannte ins obere Stockwerk, wo sich Boëndal gerade anzog und zu einem Ausflug bereit machte.
»Was ist passiert, Gelehrter?«, wollte er sofort wissen. »Du hattest einen abwechslungsreichen Abend, wie ich sehe.«
»Auf den ich hätte verzichten können.« Rasch berichtete Tungdil von dem Zusammentreffen mit dem Alb und der rätselhaften Rettung.
»Wir müssen morgen sofort verschwinden.« Boëndal sah sehr besorgt aus. »Wie bist du auf den Gedanken gekommen, allein durch
Weitere Kostenlose Bücher