Die Zwerge
Tungdil. »Ich danke dir, dass du mich mitgenommen hast und an dem Unterfangen teilhaben ließest.«
»Ich gab dir mein Wort.«
»Du hättest es jederzeit zurückziehen können, niemand hätte es dir übel genommen, wenn du den singenden Säufer abgelehnt hättest, doch du tatest es nicht.« Er kam näher und blickte ihm ins Gesicht. »Ich habe mein Lebenswerk mit einer Arbeit abgeschlossen, die von keinem anderen übertroffen werden kann. Jedenfalls hoffe ich, dass man keine zweite Feuerklinge mehr im Geborgenen Land benötigen wird.«
»Du lässt dich nicht mehr umstimmen, Freund?«
Bavragor lachte, es war ein freundlicher Klang, in dem die alte Heiterkeit seiner Lieder wohnte. »Zwerg sein und sich umstimmen lassen, passt das zusammen? Meine Entscheidung fiel vor etlichen Umläufen.« Er nickte in Richtung des Tores. »Ich muss zu ihnen. Mein Tod vollzieht sich in der Gemeinsamkeit mit den Ahnen der Fünften, den Ehrwürdigsten und Ältesten unseres Volkes. Was kann ich noch mehr verlangen?« Seine schwieligen Finger schlossen sich um Tungdils. »Du bist ein guter Zwerg, nur darauf kommt es an, nicht auf die Abstammung. Vergiss mich nicht. Und den kleinen Schimmerbart auch nicht.«
Sie umarmten sich, und Tungdil schämte sich seiner Tränen nicht. Er ließ einen weiteren Freund zurück, den er in diesem Leben nicht mehr sehen würde.
»Wie könnte ich? Nein, Bavragor Hammerfaust, ich werde dich nicht vergessen.« Er bedachte das Grab Goїmgars mit einem langen Blick. »Ich werde keinen von euch vergessen.«
Der Steinmetz lächelte ihm zu und stapfte zum Tor, um den Fünften beizustehen. Nach zwei Schritten blieb er noch einmal stehen, sein Auge suchte Ingrimmsch. »Richte Boїndil aus, dass ich ihm seine Tat vergebe«, sagte er leise.
Tungdil sah ihn überrascht an. »Er wird es mir nicht glauben, wenn ich es ihm einfach nur so sage. Er wird denken, ich hätte es mir ausgedacht, um seinem Gewissen Erleichterung zu verschaffen.«
»Dann sage ihm, ich hätte verstanden, dass er meine Schwester ebenso sehr liebte wie ich. Ich habe es gehasst, sie zu verlieren. Da ich den Umstand nicht hassen konnte, hasste ich den, der die Axt führte. Trauer und Schmerz wurden durch Hass verdrängt, so war es leichter zu leben. Ich wusste immer, dass es ein Unfall war und dass er sie geliebt hat.« Er lachte leise. »Der Tod scheint weiser zu machen, Tungdil. Vraccas sei mit euch und vor allem mit dir.«
Mit einem Lied auf den Lippen stürzte er sich gegen die Übermacht; sein Streithammer zerschmetterte das Knie eines Orks und kurz darauf dessen Schädel, und sein Gesang riss dabei nicht ab.
Tungdil schluckte und folgte den Gefährten, die sich inzwischen schon weit nach oben gearbeitet hatte. Narmora schickte sich soeben an, den Schlot zu betreten.
Die Lieder Bavragors begleiteten sie lange bei ihrem Aufstieg in den dunklen Schacht hinauf, bis Giselbart die Vorrichtungen in Gang setzte und sich die schweren Stahlplatten vor den Abzug schoben. Danach ertönte ein klirrendes Geräusch, Ketten rasselten und wickelten sich ab, der Mechanismus war zerstört.
Als das Rasseln endete, hörten sie Bavragor immer noch, viel gedämpfter und leiser, doch er war noch da.
Sie schwiegen und lauschten kletternd seinen Gesängen, die vom Heldentum der Zwerge und der Glorie des Krieges gegen die Orks handelten. Er verhöhnte die Übermacht, er reizte und provozierte sie, lockte sie in den Tod.
Dann verstummte seine Stimme.
*
»Es ist alles frei. Wir und die Berge sind weit und breit die Einzigen«, rief Narmora hinab. Tungdil sah kurz ihre schlanke Silhouette, die sich als schwarzer Umriss vom Hellgrau des Himmels abhob, dann verschwand sie wieder.
Einer nach dem anderen schoben sie sich aus dem Schlot, der an seinem oberen Ende breit genug war, um ein kleines Haus darin verschwinden zu lassen.
Der Zwerg erklomm die letzten Stufen mit müden, schweren Beinen. Bei dreitausend hatte er aufgehört, die dunkelgrauen, vom Ruß verschmierten Stiegen zu zählen, die sich an den Wänden des Kamins in die Höhe schraubten. Ihr Aufstieg war gelungen, niemand von ihnen war ausgerutscht oder in Gefahr geraten abzustürzen; selbst Djer_n hatte trotz seiner Rüstung keine Schwierigkeiten gehabt.
Wir sind entkommen. Tungdil verließ den Schutz des Rauchabzugs und stand auf einer schneebedeckten Erhebung inmitten des Grauen Gebirges. Der eisige Wind spielte mit seinem Bart und ließ den Zwerg schaudern.
Die Aussicht auf die unzähligen
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