Die Zwerge
werde ich niemals Frieden schließen.« Seine Faust ballte sich. »Jetzt erst recht nicht, wo ich die Wahrheit über den Untergang der Fünften erfahren habe.«
Rodario setzte sich aufrecht gegen die Wand. »Und was hat es mit dieser Feindschaft auf sich? Wir Menschen wissen leider viel zu wenig über die Zwerge, wie ich merke.« Er nahm sein Schreibzeug zur Hand. »Aber bitte nur die kurze Fassung, meine Tinte ist bald leer.«
Balyndis grinste. »Wir hassen sie.«
Seine Feder verharrte. »Das war zu kurz, begnadete Schmiedin aus dem Stamm der Ersten«, lächelte er hinreißend.
»Das dachte ich mir fast.« Und sie hob an, die ganze Geschichte zu erzählen.
»Vraccas schuf die Stammväter der Fünf Stämme, und ein jeder von ihnen erhielt von ihm einen Namen. Aber der Begründer des Dritten Stammes wollte seinen Namen nicht und wählte sich einen eigenen. Fortan nannte er sich Lorimbur.
Vraccas erteilte jedem der vier Stämme eine besondere Gabe, die Zünfte der Steinmetzen, Edelsteinschleifer, Eisenschmiede und Goldschmiede entstanden. Aber zu Lorimbur sagte er: ›Du hast dir deinen Namen selbst gesucht, also lerne selbst, etwas zu tun. Von mir wirst du keine Gabe mehr erhalten.‹
Lorimbur gab sich Mühe, etwas zu erlernen, ging bei seinen vier Brüdern in die Lehre, doch nichts wollte ihm gelingen. Das Eisen zersprang, das Gold verbrannte, die Edelsteine splitterten, und der Stein zerbarst unter seinen Fingern.
Und so wurde er eifersüchtig auf seine Brüder. In seinem heimtückischen Herzen erwuchs der Hass gegen alle Zwerge.
Im Verborgenen widmete er sich allein der Kampfeskunst. Nicht nur, um Feinde des Geborgenen Landes zu erschlagen, sondern auch um darin der Beste von allen zu werden und sie auszurotten, damit es keinen mehr seiner Art gab, der besser war als er.«
Rodario schrieb alles mit. »Das ist großes Theater«, murmelte er vor sich hin. »Das ist Stoff für die nächsten einhundert Zyklen.«
Balyndis räusperte sich. »Nun weißt du, warum wir die Dritten fürchten. Ihnen ist nicht zu trauen.«
Andôkai versuchte, eine bequemere Haltung am Felsen einzunehmen. »Die Dritten sind mir im Augenblick gleichgültig. Die Elben sind es, die sich zunächst von uns überzeugen lassen müssen«, sagte sie. »Ihr Fürst Liútasil ist bekannt dafür, dass er keine neuen Freundschaften schließt. Dass ausgerechnet Zwerge ihn um Beistand bitten, wird es nicht einfacher machen.« Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Tungdil lächelte, die Schatten betrachtend, die sie im Schein der Fackel warfen. »Ich habe durch unsere Reise gelernt, dass vieles möglich ist, an das ich zuerst nicht geglaubt habe. Das gibt mir Zuversicht, bei den Elben erfolgreich zu sein.«
Balyndis ließ sich von Narmora die Feuerklinge geben. Vorsichtig entfernte sie mit der Feile überstehende Reste der Einlegearbeiten, danach begann sie das Metall zu polieren. Fasziniert schaute Tungdil ihr dabei zu, bis sie ihre Tätigkeit unterbrach.
»Meine Finger«, sagte sie entschuldigend. »Es ist zu kalt, um genau zu arbeiten.«
Er äugte zu Furgas und Narmora, die sich unter die Decke verkrochen hatten. »Du kannst gern näher zu mir kommen, wenn dir kalt ist«, bot er ihr an. Sein Mund wurde plötzlich trocken.
Sie rutschte zu ihm und drückte sich an ihn. »Warm wie an einer Esse«, seufzte sie zufrieden.
Vorsichtig legte er ihr einen Arm um die Schulter. Balyndis’ Nähe schenkte ihm ein mehr als gutes Gefühl.
Das Geborgene Land, Königreich Gauragar,
im Winter des 6234sten Sonnenzyklus
Sie wanderten sehr schnell, und sobald sich das Gelände dazu anbot, verfielen sie in Laufmarsch und durchquerten die südlichen Ausläufer des Grauen Gebirges zügig. Bald kamen sie in den hügeligen Teil Gauragars und ließen die mächtigen Gipfel hinter sich.
Zur Unterhaltung blieb ihnen kaum Gelegenheit, das Laufen strengte sie zu sehr an. Als Tungdil Ingrimmsch die letzten Worte Bavragors ausrichtete, sagte der Krieger nichts, aber seine Lippen wurden zu dünnen Strichen, und seine Augen schimmerten feucht.
Unterwegs umgingen sie Siedlungen so weit es ging, nur einmal schickten sie Furgas und Rodario als fahrende Schuhflicker zu einem Gehöft, um Proviant zu kaufen. Rodario hätte sich lieber als verarmter Adeliger ausgegeben, doch Tungdil bestand darauf, dass sie so wenig Aufsehen wie möglich erregten.
Es schmeckte nicht sonderlich gut; das Tote Land verdarb das kümmerliche Getreide, die verschrumpelten
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