Die Zwerge
Schluchten und Täler brachte ihn zum Staunen. Er betrachtete den mächtigen Gipfel der Großen Klinge, er sah die Spitze der legendären Drachenzunge und die schroffen Abhänge der Goldwand. Erhaben und majestätisch wuchsen sie in die Wolken, windumtost, schneeverweht, ewig während. Gewaltsam riss er sich von dem Panorama los, das wohl nur die Wenigsten in dieser einzigartigen Weise zu Gesicht bekamen.
Tungdil schickte die Halbalbin als Späherin vor. Diese Entscheidung fiel ihm nicht leicht: Auf der einen Seite war sie zu bedeutend, um sie in Gefahr zu bringen, auf der anderen Seite verfügte sie über die besten Voraussetzungen, sich auf unsicherem Gebiet eher gefahrlos zu bewegen. Ihr schien es weitaus weniger auszumachen als Furgas, der vor Sorge beinahe krank wurde. Und so stapften sie auf der Route, die Narmora ihnen vorgab, durch den Schnee.
Es ging über glitzernde Gletscherbrücken hinweg, vorbei an Steilwänden, die senkrecht in die Höhe aufragten, und tiefen Abgründen. Mitunter mussten sie über abgegangene Gerölllawinen steigen oder unter Steinbögen durchwandern, die aussahen, als ob sie sogleich einstürzten.
Noch immer sprachen sie kein Wort, die Müdigkeit und das Erlebte lähmten ihre Zungen, und jeder konzentrierte sich einzig darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und nicht zu straucheln.
In Gedanken war Tungdil bei Giselbart und Bavragor. Er sah sie gegen die Orks und Albae kämpfen, und wenn er die Augen schloss und sich konzentrierte, hörte er den Gesang des Steinmetzen noch immer. Der singende Säufer, dachte er traurig.
Abends drängten sie sich in eine Höhle, in der sie Schutz vor dem zunehmenden Wind suchten, und entzündeten eine Fackel, die Licht spendete. Ingrimmsch schien die Kälte nichts auszumachen. Andôkai schüttelte die Schneeschicht von ihrem Mantel ab, zog ihn enger um sich und lehnte sich ermattet gegen den nackten Felsen. Fluchend schloss sie die blauen Augen.
»Ich muss so schnell wie möglich wieder auf ein Stück Land, in dem sich ein magisches Feld befindet«, sagte sie und brach damit das anhaltende Schweigen. »Meine Kräfte sind aufgezehrt. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas geschehen kann. Es ist kein sehr angenehmes Gefühl.«
»Und vor allem brauchen wir Eure Magie sicherlich noch.« Tungdil nahm fröstelnd den Plan zur Hand, auf dem die unterschiedlichen Eingänge eingezeichnet waren. »Da Nôd’onn um die Tunnel weiß, wird es schwierig. Er kann sich denken, dass wir sie benutzen wollen, um nach Hause zurückzukehren.« Sein aufmerksamer Blick wanderte über die Zeichnung und blieb an einem Einstiegspunkt hängen, der sich zweihundert Meilen von ihnen entfernt befand. Das ist es! Damit rechnet er nicht. »Wir gehen nach Âlandur.«
»Was? Zu den Spitzohren?!«, begehrte Boїndil auf, der sich gerade vorsichtig das Eis aus dem Bart rieb. »Warum?«
»Der Tunneleingang liegt in dem Teil des Elbenreiches, der vermutlich noch nicht gefallen ist«, erklärte er seine Entscheidung. »Und wir werden sie bitten, mit uns gegen Nôd’onn zu ziehen, wie Großkönig Gundrabur es wollte. Oder hast du einen besseren Vorschlag, Boїndil?«
»Nein«, gab Ingrimmsch zögernd zu. »Ich … muss mich nur erst an den Gedanken gewöhnen. Es sind unsere Feinde … an und für sich.«
»Mir ergeht es nicht anders.« Balyndis nickte zustimmend und reckte die Hände gegen die Flamme der Fackel.
»Es ist erstaunlich, wie einfach es einem fällt, etwas nicht zu mögen«, merkte Rodario philosophisch an und drückte auf seinem Bauch herum, aus dem laute Knurrgeräusche drangen. Er hatte großen Hunger, und niemand in der Höhle erging es anders. In seiner Not brach er sich einen Eiszapfen ab und lutschte daran.
»Die Götter haben uns zu verschieden gemacht. Sitalia, die Schöpferin der Elben, ließ die Spitzohren das Oberirdische und das Grün lieben, Vraccas gab uns die Höhlenwelten der Berge.« Die Schmiedin zog die Beine an. »Sie schauen auf uns herab, sie verachten uns, weil wir nicht so schön sind wie sie.«
»Und dafür verachtet ihr sie?«, schätzte der Schauspieler. »Also muss nur einer mit dem Verachten aufhören, und schon hat der andere keinen Grund mehr. So einfach ist das, Feindschaft beendet.« Er grinste und hielt sich die verletzte Stelle. »Verfluchter Ork! Habt ihr noch Feinde, wo meine Beratung euch helfen könnte?«
»Die Dritten«, sagte Ingrimmsch langsam. »Der Stamm Lorimbur, wie du von Giselbart gehört hast. Aber mit ihnen
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