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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Wald schlagen müssen.« Er nahm die Karte des Zwergs und zeichnete den Weg ungefähr ein. »Du kannst den Berg nicht verfehlen, du siehst seinen flachen, schwarzen Gipfel durch die Wipfel der Bäume.«
    »Ein flacher Gipfel?«, wunderte sich der Zwerg und nahm das Bier dankend an. Die Kinder rückten näher zusammen und lauschten.
    Opatja nickte. »Er sieht aus wie ein eckiges Seifenstück, das Palandiell einfach in den Wald geworfen hat, vierhundert Schritt hoch, eine Meile und zweihundert Schritt lang und dreihundert Schritt breit.« Zur Erklärung nahm er den Käse und schnitzte ihn in eine rechteckige Form. Dann schnitt er lange Rillen von oben nach unten hinein, sodass ringsherum Furchen entstanden. »Die kommen vom Regen und dem Wind«, sagte er zu den Kindern.
    »Ich erinnere mich. Man nennt eine solche Form Tafelberg, weil er oben flach wie ein Tisch, eine Tafel ist«, sagte Tungdil. »Ich kenne sie aus den Büchern meines Magus.« Er versuchte sich vorzustellen, wie der Felsbrocken in Wirklichkeit aussah. Als der Kaufmann den Berg beschrieb, glaubte er, eine Legende darüber gelesen zu haben; sie fiel ihm allerdings nicht ein. Dreihundert Meilen bedeuteten jedoch genug Zeit, sich zu entsinnen.
    »Was möchtest du dort?«
    »In der Nähe wohnt jemand, ein Einsiedler, ein ehemaliger Schüler meines Magus«, antwortete er. »Mein Herr möchte wissen, wie es ihm geht. Ich soll mich mit eigenen Augen von seinem Wohlbefinden überzeugen.«
    Opatja betrachtete Tungdils verletzten Unterschenkel. »Warte noch ein paar Tage, ehe du deine Reise fortsetzt. Wir geben dir genügend Kräuter mit, damit du deine Wunde unterwegs behandeln kannst.« Er nahm die Briefe an Lot-Ionan und verließ die Scheune.
    »Ich stehe tief in Eurer Schuld«, sagte Tungdil dankbar.
    »Ach was«, winkte der einstige Kaufmann ab und lachte. »So viel Ruhe vor der Rasselbande hatten wir schon lange nicht mehr.«
    Er überließ den Gast den fragewütigen Kleinen, die prompt das Verhör fortsetzten. Sie staunten, als sie hörten, dass er schon dreiundsechzig Zyklen alt war.
    »Dein Bart müsste doch viel länger sein«, sagte Jemta argwöhnisch. »Großvater erzählt, dass Unterirdische ihre Bärte bis auf den Boden tragen.«
    »Wir sind Zwerge, keine Unterirdischen. Ich habe ihn seit dreißig Zyklen, aber ich musste ihn abrasieren, weil ich als Schmied immer Löcher von den Funken bekam und weil ihn mir jemand blau färbte«, erklärte er geduldig, und schon streckte der Junge mit den Segelohren die Hand aus und langte hinein.
    »Das Haar ist viel härter und widerspenstiger als Vaters«, befand er.
    »Es lässt sich nur mit Mühe kämmen, um aus den Strähnen einen oder mehrere Zöpfe zu flechten. Es passt zu meinem Volk«, grinste der Zwerg und zeigte, wie er seinen Bart herrichtete. »Wir schmücken ihn gern und tragen Wettkämpfe darin aus, wer den längsten und prächtigsten Bart besitzt. Nur wenige Zwerge tragen Backen-, Schnur-, Knebel oder ausrasierte Bärte. Die meisten sehen so aus wie ich«, behauptete er. Sein Wissen stammte aus den Büchern Lot-Ionans.
    Die Kinder machten sich lachend Bärte aus Stroh und Heu, die sie sich mit Harzklümpchen, die sie im Gebälk der Scheune fanden, ins Gesicht klebten.
    »Haben alle Unterirdischen … alle Zwerge einen Bart?«
    »Ja. Und wenn ihr einen geschorenen Zwerg trefft, könnt ihr sicher sein, dass er für etwas bestraft wurde. Er muss so lange in die Verbannung, bis sein Gesichtshaar die Länge eines Axtstiels erreicht hat, und weil unsere Bärte langsam wachsen, dauert es bis zur Rückkehr Zyklen.« Wissen aus Büchern, zusammengetragen von Menschen. Er seufzte.
    Sofort schnappte Jemta dem Segelohrjungen die Strohhalme aus dem Gesicht. »So, du bist verbannt! Verschwinde!«
    Jetzt begann die Schlacht um die Kunstbärte; sie versuchten, sich gegenseitig zu verbannen, bis Remsa erschien und dem Treiben ein Ende bereitete. Nach lautem Protest verließen sie ihren neuen Spielgefährten und verabschiedeten sich.
    Die Frau schenkte ihm ein herzliches Lächeln. »Sie vertrauen dir«, sagte sie. »Das ist ein gutes Zeichen. Eine angenehme Nacht, Tungdil. Wir beten zu Palandiell, dass sie dich rasch gesund macht.«
    Sie mögen mich, wer hätte das gedacht? Er freute sich. Frala und ihren Töchtern hätte es auf dem Gehöft sicherlich sehr gefallen. Ich habe jetzt schon viel zu erzählen, wenn ich zurückkehre. Sie werden es mir nicht glauben. Der Zwerg berührte das Halstuch der Magd, sank auf sein

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