Die Zwerge
auf den Lippen, und starrte auf den Verräter, der in blutbesudelter Robe vor ihm stand, den Onyxstab direkt auf ihn gerichtet. Die tiefe Wunde, die Andôkais Schwert angerichtet hatte, existierte nicht mehr; allein der zerschnittene Stoff zeugte von ihrer Attacke.
Doch ehe Lot-Ionan zu handeln vermochte, lähmten geheimnisvolle Kräfte seinen Körper. Sein Leib wurde immer kälter, er fror erbärmlich, die Haut straffte und spannte sich so sehr, dass ihm vor Schmerzen die Tränen über die Wangen rannen. Einzig die Augen blieben beweglich.
»Nudin, siehst du nicht, dass es dich lenkt?« Maira wollte aufstehen, glitt jedoch auf den Malachitstückchen aus. Schon schlug Nudin zu. Auf seinen Befehl hin richteten sich die unterschiedlich langen Kristallsplitter am Boden wie Dornen auf, dann griff er sie mit einem Zauberspruch an.
Sie wehrte den schwarzen Blitz ab, aber dafür fiel sie in die Splitter. Die scharfen Kanten durchschnitten ihre Kleider und die empfindliche Haut, drangen ins Fleisch und verletzten sie schwer.
»Nudin! Ich bitte dich …«, keuchte sie gepresst.
» Niemand bittet mich!« Der Magus stand breitbeinig über ihr und drosch beidhändig mit seinem Stock zu. Der schwarze Edelstein hieb ihr durchs Gesicht und blitzte, Maira schrie gellend auf. »Und auch ich werde niemanden mehr bitten!«
Wie ein Irrsinniger prügelte er auf ihren Kopf ein, bis der Schädel geräuschvoll barst und von ihrem einst so würdevollen Antlitz nichts mehr übrig geblieben war.
Ächzend richtete Nudin sich auf, und der Triumph leuchtete in seinen wahnsinnigen Augen. Er blickte sich um und betrachtete die Toten.
»Es ist eure eigene Schuld«, rief er zornig, wie um sich selbst zu verteidigen. » Eure Entscheidung brachte euch den Tod.« Er fuhr sich übers Gesicht und entdeckte das gerinnende Blut; angewidert wischte er es an seinem Gewand ab. » Nicht ich«, sagte er etwas leiser, » nicht ich.«
Lot-Ionan weinte voller Verzweiflung, mehr blieb ihm nicht mehr. Sie wurden verraten und vernichtet von einem Mann, den sie früher einst als Freund bezeichnet hatten.
Nudins Anspannung wich. Er sank auf einen der Stühle, legte den Kopf in den Nacken und blickte zu den Sternen.
»Ich bin Nôd’onn der Zweifache«, sprach er zu den flirrenden Punkten. »Nudin der Wissbegierige ist nicht mehr, er ging zusammen mit den anderen Fünf des Rates und kehrt nie mehr wieder.« Seine Hände klammerten sich um den Stock. »Ich bin zwei und doch eins«, wisperte er gedankenverloren, stemmte sich schwerfällig in die Höhe und schritt zum Ausgang. Lot-Ionan verfolgte ihn mit Blicken.
»Du wirst sicher sterben, mein alter und falscher Freund«, prophezeite er im Gehen. »Die Versteinerung wird dich bald vollkommen durchsetzt und zu einer Statue gemacht haben.« Er wandte ihm seine geröteten Augen zu. Sie wirkten sehr müde und enttäuscht. »Du hättest dich auf meine Seite stellen und nicht zu dem Verräter Turgur halten sollen. Aber in Erinnerung an unsere alten Zeiten verspreche ich dir, dass du einen schönen Platz erhältst«, verabschiedete er sich. Seine dicken Finger legten sich um ihn. Er umarmte den Magus und drehte ihn ein wenig, sodass er Sabora sehen konnte. »Sieh zu, während du vergehst, und stirb mit dem Wissen, dass sie dir bald folgt. Lebe wohl. Ich muss mich daran machen, unser Land zu retten. Allein. Da ihr mich im Stich ließet.«
Schon verschwand er aus Lot-Ionans Gesichtsfeld, die Türen schlossen sich rumpelnd. Der Magus war allein mit den Toten, deren Anblick seine Seele folterte; vor allem die zu Eis erstarrte Sabora brachte ihn schier um den Verstand.
Ihr Götter, wollt ihr das Geborgene Land untergehen sehen? Ich bitte euch, tut etwas, wenn es nicht so ist! Wut, Hoffnungslosigkeit, Hass und Trauer stauten sich in ihm auf, und seine Verzweiflung wurde so groß, dass er nicht mehr aufhören konnte zu weinen.
Schließlich gewährte ihm die Magie Gnade. Die letzten Tränen erstarrten als steinernes Zeugnis des Kummers auf seiner marmornen Haut, während seine Atmung aussetzte und sein Herz sich in Stein verwandelte. Der Tod ersparte dem Geduldigen den Anblick, Sabora am Tag in der unbarmherzigen Sommersonne schmelzen zu sehen. Spätestens das hätte den freundlichen Mann umgebracht.
Als alles still war, schwang sich ein riesiger Krieger durch eines der Fenster, stieg über die Toten und kniete sich neben den reglosen Körper Andôkais. Sein lauter, unmenschlicher Schrei hallte durch den
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