Die Zwerge
nur früher erhalten.«
»Was sollte das?!«, brauste Andôkai auf und lief zu Nudin. Ihre kräftigen Hände packten den Magus bei den Schultern, und es sah aus, als wollte sie ihn schlagen.
Doch er kam ihr zuvor.
Seine geballte Faust krachte so pfeilgeschwind gegen ihr Kinn, dass sie keine Gelegenheit erhielt, den Schlag zu parieren. Die Stürmische wurde emporgerissen, flog einige Schritte durch den Raum und fiel rücklings auf den Malachittisch, wo sie regungslos liegen blieb.
»Du wirst uns erklären müssen, was du angerichtet hast, Nudin«, verlangte Lot-Ionan scharf.
Der dunkel gekleidete Magus richtete sich auf. »Schweig, du alter Narr«, herrschte er ihn an und reckte den Stecken mit dem Onyx voraus gegen den Mann.
Die vier Zauberkundigen bereiteten sich vor, auf einen magischen Angriff zu reagieren. Die Krankheit musste seinen Verstand verändert haben, Wahn war bei Magi nichts Ungewöhnliches.
»Was sollte das, Nudin?«, wiederholte Sabora die Forderung eindringlich. »Geht es dir um Macht? War es eine List, um durch das Ritual an mehr Kraft zu gelangen? Oder entsprachen Turgurs Worte der Wahrheit? Das wäre töricht.« Sie schaute rasch zu den anderen. »Lege deinen Stab zu Boden, ehe ein Unglück geschieht.«
»Das Unglück ist bereits geschehen«, hielt er dagegen. »Das Unglück war, dass ihr all die Jahre das Falsche getan habt. Ihr habt es bekämpft, anstatt mit ihm zu reden. Es hat in vielen Dingen Recht!«
»Das Tote Land!«, raunte die Hüterin entsetzt. »Du hast mit ihm … gesprochen?«
»Ich habe von ihm gelernt«, stellte er richtig. »Ihr überlasse euch die Wahl. Seid ihr für mich oder gegen mich, wenn ich das Geborgene Land verändere und schütze?«
Lot-Ionan langte nach seinem Stab. Es stand außer Frage, wie er sich entschied. »Du hast dir mit der heutigen Tat fünf Feinde gemacht«, sagte er traurig. »Wissbegier und Neugier sind dir zum Verhängnis geworden. Du hättest nicht auf die Stimme des Bösen hören sollen.«
»Es ist nicht das Böse«, hielt Nudin dagegen und setzte zu einer Erklärung an, als dünne Blutfäden aus seiner Nase und dem linken Auge sickerten; sie zogen dunkelrote Linien über das teigige Gesicht. Er stockte.
»Sieh, was es aus dir macht«, sagte Maira sanft. »Sage dich von ihm los, Nudin!«
»Nein«, stieß er angsterfüllt hervor. »Nein, niemals! Es weiß so viel, mehr als all meine Bücher, ja, mehr als alle Menschen und Magi zusammen.« Seine Stimme überschlug sich. »Es ist die Erfüllung meiner Träume. Versteht doch, es allein kann mich weiterbringen!«
»Du kannst nicht mehr zurück, weil du ein Teil des Landes geworden bist. Und für das Wissen verlangt es einen solch geringen Lohn wie das gesamte Geborgene Land mit all seinen Menschen und Wesen?«, bemerkte Turgur spitz. »Ja, das klingt nach einem guten Geschäft, mein Bester.«
»Niemand wird dir beistehen, Nudin«, kündigte Sabora flüsternd an. Sie schüttelte den silbernen Schopf. »Wie konntest du nur?«
»Ihr versteht nicht«, sagte er enttäuscht. »Es ist gekommen, um uns alle vor dem Unheil zu bewahren!«
»Vor dem Unheil zu bewahren?« Maira gab den anderen ein Signal. »Nein, Nudin. Es gibt nichts Schlimmeres als das Tote Land, kein Schrecken kann größer sein. Wir müssen es aufhalten«, sie atmete tief ein, »und wir müssen dich aufhalten.«
»Narren! Ihr werdet meinem Freund nichts antun.« Nudin murmelte unverständliche Worte und stieß mit dem Ende seines Stabes auf den Boden. Der Marmor sprang, ein Riss bildete sich, hielt geradewegs auf den Speicheredelstein zu und erreichte einen Herzschlag später den Sockel.
Der Malachit knackte wie Kandis in heißem Tee, bevor er in tausende kleiner Splitter zerbarst. Andôkai fiel auf die harten Platten und stöhnte nicht einmal; die grünen Trümmerstücke kullerten und sprangen um sie herum.
Lot-Ionan, dem der Gegenzauber zu spät über die Lippen kam, starrte wie die anderen vier entsetzt auf die Reste des einmaligen Steines. Er hat den Fokus unwiederbringlich vernichtet!
Während er wie gelähmt auf die grün schimmernden Fragmente schaute, zuckte ein blauer Feuerball an ihm vorüber, um den verräterischen Magus zu vernichten. Doch das magische Geschoss, das Turgur auf den Weg schickte, zerplatzte an einem Schutzzauber.
»Alle zusammen!«, rief Maira. »Bewahrt das Geborgene Land vor größerem Übel!«
Ihr Ruf weckte Lot-Ionan. Er verdrängte jegliche Gedanken über die mögliche Zukunft seiner Heimat und
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