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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nichts über ein leckeres Essen nach einem gewonnenen Kampf.« Boїndil entfachte ein Feuer und begann, Käse an einem Stöckchen zu braten.
    »Und wenn man den Kampf verloren hat, fastet man dann?«
    »Nein, dann kann es einem gleichgültig sein. In Vraccas’ ewiger Schmiede gibt es leckere Sachen«, röhrte er und drehte seinen geschnitzten Spieß.
    Der aufsteigende Geruch stellte Tungdil die Luft ab. »So etwas habe ich schon einmal gerochen. Das war ganz zu Beginn meiner Reise, als meine Füße nach einundzwanzig Umläufen in den Stiefeln furchtbar stanken.«
    »Ho, ein Kostverächter?«, meinte Ingrimmsch und ahmte seinen Abscheu nach. »Es ist der beste Käse, den es im Zwergenreich gibt. Los, Boëndal, gib ihm was davon, damit sein Gaumen den rechten Geschmack findet. Die lange Zeit unter den Menschen hat ihn verdorben.«
    Sein Bruder schnitt Brot mit Schinken ab, um es Tungdil mitsamt dem Käse zu reichen. »Ich erkläre es dir in wenigen Sätzen. Großkönig Gundrabur wird nicht mehr lange leben, und der Thron muss bald von einem Zwerg aus dem Stamm des Vierten besetzt werden. Der Großkönig erfuhr durch den Brief des Magus von deiner Existenz und deinem Geheimnis.«
    »Jetzt habe ich auch noch ein Geheimnis«, stöhnte Tungdil auf, der es noch nicht über sich brachte, das Käsestück in den Mund zu schieben. Es wurde allmählich zu viel des Guten.
    »Es ist wichtig, dass du es erfährst. Es waren keine Kobolde, die dich zu Lot-Ionan brachten. Der Kindsraub war eine Lüge des Langen …«
    »Langen?«
    »So nennen wir die Menschen im Scherz. Wegen ihrer Größe. Doch zurück zu dem Zauberer. Er wollte dich so lange vor der Wahrheit verschonen, bis die rechte Zeit kam«, erklärte ihm Boëndal und reichte ihm einen Schlauch mit Wasser. »Du gehörst zum Stamm der Vierten.«
    Er erinnerte sich an die Landkarte. »Das kann ich nicht glauben. Das Reich liegt viel zu weit im Norden.«
    »Das hat aber einen bestimmten Grund«, fuhr der Zwerg mit ernster Miene fort. »Der König der Vierten hinterließ mit dir einen unehelichen Spross, der verheimlicht werden sollte. Unmittelbar nach der Geburt gab man dich an eine befreundete Familie, die sich um dich kümmern sollte. Die Königin erfuhr von dir und verlangte deinen Tod, damit du als Bankert in den späteren Jahren keinen Anspruch auf den Thron erheben könntest.«
    »Willst du deinen Käse noch?«, unterbrach Boїndil die Rede seines Bruders. »Wenn du noch ein bisschen wartest, fällt er ins Feuer und ist verloren.« Wortlos reichte er ihm das Stöckchen. »Danke.«
    »Weil die Familie Mitleid empfand, reiste sie mit dir durch das Geborgene Land und erschien bei Lot-Ionan«, fuhr Boëndal fort. »Sie vertrauten den Neugeborenen dem Magus aus einem einfachen Grund an: Die Königin käme niemals auf den Gedanken, einen Zwerg bei einem Magus zu vermuten.«
    »Du weißt doch hoffentlich, dass wir Zwerge von der Magie der Langen gar nichts halten?«, meinte Boїndil argwöhnisch.
    »Sei still!«, rief sein Bruder maßregelnd. »Lass mich zu Ende erzählen.« Er wandte sich wieder an Tungdil. »So, nun weißt du, warum du in Ionandar und weit abseits aller Zwergenreiche aufgewachsen bist. Jetzt, nachdem wir von dir wissen, hat der Rat der Stämme die Pflicht, dich als zweiten Bewerber um das Amt des Oberhaupts der Zwerge anzuhören.«
    Tungdil nahm einen langen Zug aus dem angebotenen Wasserschlauch. »Verzeih mir, aber ich glaube euch kein Wort«, stotterte er fassungslos. »Lot-Ionan hätte mir längst die Wahrheit gesagt.«
    »Er wollte es dir sagen, wenn du von deiner Wanderung zurück gekehrt wärst«, antwortete ihm Boëndal. Er öffnete seinen Rucksack und zeigte ihm einen Brief, der eindeutig die Handschrift des Magus trug. »Er gab ihn uns mit, weil er dachte, dass du uns nicht vertraust.«
    Mit zitternden Fingern öffnete Tungdil die Schriftrolle und überflog die Zeilen. Es stimmte. Es stimmte alles, was sie ihm sagten!
    Ich wollte nichts weiter, als andere meines Volkes zu treffen, nun aber bin ich plötzlich Anwärter auf den Thron aller Zwergenclans? »Ich kann es nicht«, würgte er hervor. »Ich begleite euch gern, aber ich überlasse meinem Rivalen das Feld.« Er lachte unglücklich auf. »Wie sollte ich denn über die Stämme regieren? Ich bin in deren Augen nicht einmal ein echter Zwerg. Keiner würde mich dulden und …«
    Das Stöckchen mit dem stinkenden Käse schwebte unvermittelt unter seiner Nase. »Hör auf zu jammern«, sagte Boїndil

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