Die Zwerge
unzufrieden und nahm den ledernen Sack mit den Artefakten von der Schulter; ein grünes Band hielt ihn verschlossen. »War es jemals so schlimm?«
Rantja schüttelte den Kopf.
Die Türen schwangen auf, und Nudin der Wissbegierige erschien, um sie willkommen zu heißen. Er wankte leicht, wirkte erschöpft und abgekämpft.
»Ich grüße euch«, rief er krächzend. Seine Stimme klang angestrengt und überschlug sich. Die Wartenden gewannen den Eindruck, als sprächen ein Mann und eine Frau gleichzeitig. »Heute ist ein schwarzer Tag für das Geborgene Land. Folgt mir und seht, was das Tote Land angerichtet hat.« Der Magus bedeutete den Schülern, ihn zu begleiten, und schritt vorweg.
»Ich kenne Nudin von früheren Begegnungen, und ich muss sagen, er hat sich ziemlich verändert«, raunte Jolosin Rantja zu. »Er muss mindestens fünfzig Pfund zugenommen haben und Schuhe mit dicken Sohlen tragen.«
»Ich weiß. Auf viele wirkt er größer als sonst.«
»Weitaus größer. Und massiger. Dass ein Mann in seinem Alter noch wächst, halte ich für ausgeschlossen. Was ist wohl geschehen? Ein fehlgeschlagenes Experiment?«
Sie liefen nun unmittelbar hinter Nudin und bemerkten einen süßlichen, fauligen Duft. Das Duftwasser, das der Magus verwendete, musste vergoren sein, was er anscheinend nicht wahrnahm.
Rantja trat auf etwas Rutschiges und glitt aus. Jolosin griff zu und verhinderte, dass es zu einem schweren Sturz kam. »Danke«, sagte die Famula schnell, und sie gingen weiter, weil die Nachfolgenden drängten. Und so sah auch keiner von ihnen den lang gezogenen, dunkelroten Strich auf den Steinplatten. Der Magus verlor Blut.
Das Ende seines Zauberstabs knallte in regelmäßigen Abständen laut auf den Steinboden. Nudin schritt zügig aus, um sie durch ein Gewirr von Arkadengängen und Räumen zu führen, bis sie vor einer weiteren doppelflügeligen Tür anhielten. Seine Linke hob den Stab, und der Onyx glomm düster auf.
»Seid stark«, sprach er zu ihnen und sagte die Silben, welche das Portal öffneten.
Die Türflügel glitten auseinander. Verwesungsgeruch strömte aus dem Raum dahinter, einige der Zauberlehrlinge würgten. Rantja wankte und lehnte sich an Jolosin, der sie tapfer stützte und gegen den Brechreiz ankämpfte.
Der Magus störte sich nicht an dem Gestank. »Seht, wie wichtig euer Beistand nun für das Geborgene Land geworden ist!« Er ging voran, die Famuli betraten zögernd den Raum.
Verstörte und entsetzte Rufe klangen auf, als sie die verschiedenen Überreste ihrer Mentoren erblickten. Eine Statue, ein Haufen Kleider, verwesende Leichname … Von Andôkai konnte man nicht einmal mehr die Züge erkennen, so stark war ihr Körper zersetzt.
»Bei Palandiell«, stöhnte Jolosin, als er die Statue sah, die einmal sein Lehrer gewesen war. Bei allem Groll, den er gegen ihn wegen der Strafe hegte, hätte er ihm ein solches Ende niemals gewünscht. »Wir sind verloren«, stammelte er und stellte die Ledertasche auf den Boden, die er auf Geheiß seines Mentors mitgebracht hatte. »Wenn sie nichts gegen das Tote Land …«
Nudins Zauberstab stieß kräftig auf den Boden, und die Gespräche verstummten. Alle Augen richteten sich auf ihn.
»Wir haben das Tote Land sträflich unterschätzt«, verkündete er mit zitternder Stimme. »Als wir den Kristallspeicher aufluden und die erste Phase der Zeremonie abschlossen, schlug der Schrecken aus dem Norden zu. Der Edelstein wurde gesprengt! Ich überlebte den Angriff mit Mühe.« Das Stabende deutete auf das, was von den Magi und Magae geblieben war, traurige Überbleibsel, stinkende Reste, verhöhnende Abbilder. »Ich habe gute Freunde verloren. Ihr seid deren Famuli, die Besten, die es im Geborgenen Land noch gibt.« Nudin hustete und würgte einen Klumpen Blut hervor, er wankte und lehnte sich an den zu Stein erstarrten Lot-Ionan. »Seht, ich leide noch immer unter dem Angriff. Wir müssen uns beeilen, um den Speicher wieder zusammenzufügen«, keuchte er angestrengt. »Nur so halten wir das Tote Land auf. Scheitern wir, sind die Menschen verloren. Ihr Heer wird den Schrecken niemals aufhalten.«
Die Zauberlehrlinge blickten sich ratlos an. Seine Worte und der Anblick der vernichteten Mentoren erschütterten sie bis tief in ihre Seele hinein.
»Die Fünf, die beinahe als allmächtig galten, wurden vom Toten Land besiegt«, raunte Jolosin niedergeschlagen. »Und wir sollen …«
»Wir müssen sie beerdigen«, sagte Rantja abwesend. »Wir können sie
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