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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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unseres Stammes jedenfalls nicht«, sagte Boëndal, während sie nebeneinander her gingen. »Sie kümmern sich mehr um das häusliche Leben. Sie treiben die Tiere auf die Weiden der Täler, sie sorgen für gefüllte Vorratskammern und gutes Bier, machen unsere Kleidung.«
    »Es kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn Mann und Frau nebeneinander stehen und kämpfen«, brummte Ingrimmsch. Er klang, als hätte er schon entsprechende Erfahrungen gesammelt, doch der Unterton warnte Tungdil davor nachzuhaken.
    »Hüte dich davor, ihre Künste zu beleidigen. Sie haben einen ebenso großen Stolz wie wir. Einige von ihnen reihen sich in die Galerie der besten Steinmetze und Schmiede ein. Ihre Hände führen die Meißel und Hämmer mit solcher Genauigkeit, dass ihre Rivalen bei Wettkämpfen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.«
    »Ausnahmen«, brummte Boїndil und machte keinen Hehl daraus, dass er nichts davon hielt, wenn Zwerginnen die Aufgaben eines Mannes übernahmen. »Sie sind bessere Herdfeuerwächter. Das ist ihre Bestimmung.«
    Tungdil hatte aufmerksam zugehört. »Dann ist es so ähnlich wie bei den Menschen«, fand er. Er wurde immer neugieriger auf die Zwerginnen und freute sich sehr, einer von ihnen näher zu kommen.
    Endlich trafen sie in Porista ein. Tungdil bestaunte die Türme und die Kuppeln des Palastes, aber die Zwillinge hatten nur ein müdes Lächeln für die Baukunst der Langen übrig, die der ihres Volkes wohl weit hinterher hinkte.
    Tungdils heimliche Hoffnung, Lot-Ionan zu treffen und es sich sparen zu können, die Bücher und die zerstörten Artefakte weiterhin zu schleppen, erfüllte sich nicht. Sie erfuhren, dass die Magi und Magae schon vor Tagen aufgebrochen wären, um in ihre Länder zurückzukehren. Nudin der Wissbegierige empfing niemanden, daher blieb den drei Zwergen nichts anderes übrig, als zum Geduldigen nach Ionandar zurückzukehren.
    Als sie an einer Nebengasse vorbeigingen, entdeckte Tungdil ein Pferd, das in einem Stall angebunden stand und ihm seltsam bekannt vorkam.
    »Wartet.« Er schlenderte zu der Fuchsstute, denn er glaubte sich zu erinnern, das Tier beschlagen zu haben. Behutsam nahm er den rechten Vorderlauf und betrachtete das Eisen. Es trug seine Handschrift, die Form der Nägel war augenfällig. »Sie sind es«, wisperte er.
    »Freunde von dir?«, erkundigte sich Boëndal, den Krähenschnabel locker geschultert. Sein Bruder fuhr sich prüfend über die kahlen Kopfseiten, um zu fühlen, wo noch Stoppeln standen.
    »Wohl kaum.« Tungdil trat zu den prall gefüllten Satteltaschen, nahm einen Eimer, stülpte ihn um, stieg hinauf und reckte sich, um an die Lederriemen zu gelangen. Die Abdeckung klappte nach hinten, und der Zwerg tastete blind in der Tasche herum, bis er ein großes Glas fasste. Ruckartig zog er es hervor.
    »Erinnert ihr euch an den toten fahrenden Zwerg?« Seine Ahnung trog ihn nicht. Er öffnete das Glas und erblickte den Kopf eines geschorenen Zwerges. Die Kopfgeldjäger hatten ihrem Opfer rücksichtslos die Haare gestutzt, damit der Schädel in den Behälter passte. Der Honig schloss den abgetrennten Kopf luftdicht ab und bewahrte ihn auf diese Weise vor der Zersetzung. Das letzte bisschen Blut waberte als rote Schlieren in der goldklaren Flüssigkeit. »Das sind seine Mörder.«
    Kettenhemden klirrten und klingelten, dann standen die Zwillinge neben ihm. Keiner von ihnen sprach; sie starrten voller Entsetzen auf das, was ein Mensch von einem ihres Volkes nahm, um zu Gold zu kommen.
    »Bei Vraccas! Ich werde sie in Scheiben schneiden!«, grollte Ingrimmsch. Die Wut schoss hinauf bis in seine Haarspitzen, die Beile flogen ihm von selbst in die Hand. »Lasst …«
    Da schwang die Tür auf, die vom Stall ins Haus führte. Tungdil erkannte den Mann sofort wieder, dem Kopfgeldjäger ging es ebenso. Er blieb ruckartig stehen und starrte auf die drei Zwerge. »Verdammt!« Das Kräfteverhältnis erschien ihm nicht ausgewogen genug, deshalb drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand im Haus.
    »Kämpfe, Feigling! Sogar die Schweineschnauzen taugen mehr als du!« Boїndil befand sich bereits auf dessen Fersen. Aus dem Innern des Gebäudes drang ein kurzer, aber heftiger Kampflärm, der mit dem schrillen Todesschrei des Söldners endete.
    Tungdils Warnung erreichte den rasenden Ingrimmsch zu spät. »Er hätte lebend mehr genutzt!« Doch er machte dem Zwerg keinen Vorwurf. Boїndils angestaute Tobsucht blockierte die Vernunft und gab den Verstand erst frei,

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