Die Zwillingsschwestern
Sie drehte sich zu mir um. Ihre Augen schossen Blitze,
und ihr Haar drohte, Feuer zu fangen. »Den Zeitungen zufolge bin ich eine der verrückten
Calthorpe-Schwestern, ohne Moral und mit zuviel Geld! Wenn sie erführen, daß
bei meinem ersten Fernsehauftritt die Leiche meines Mannes auftauchte, würde
mich das ruinieren.«
»Warum?«
fragte ich einfältig.
»Weil
die maßgebenden Leute beim Fernsehen — Sie mögen es nun glauben oder nicht — sehr
auf Sitte und Moral bedacht sind. Sie sind der Kritik von allen Seiten
ausgesetzt. Howards Leiche wäre für ihre empfindlichen Magen ein bißchen
zuviel.«
»Ich
habe sagen hören, Sie seien eine der zehn reichsten Frauen im Land«, sagte ich.
»Das Geld, das Sie für Ihre Fernsehtätigkeit bekommen, dürfte für Sie weniger
als ein kleiner Fisch sein. Weshalb machen Sie sich dann solche Sorgen?«
»Weil
das meine große Chance ist!« sagte sie heftig. »Wenn Bruno und ich im hiesigen
Sendebereich einschlagen, dann übernimmt uns vielleicht eine der großen
Sendegesellschaften. Und dann sind wir gemachte Leute.«
»Und
weshalb ist das so wichtig?«
»Weil
ich jemandem beweisen möchte, daß ich auch aus eigener Kraft etwas schaffe«, sagte
sie mit rauher Stimme. »Das hat nichts mit Geld zu tun.«
»Meinen
Sie damit jemand Bestimmten oder meinen Sie das ganz allgemein?«
»Jemand
Bestimmten«, sagte sie. »Verstehen Sie jetzt, warum ich nicht sagen wollte, daß
Howard die Leiche im Sarg war?«
»Nein«,
sagte ich ehrlich. »Können Sie sich denken, wer ihn ermordet haben könnte?«
Penelope
schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Eine
Ahnung, warum er ermordet wurde?«
»Nicht
eigentlich. Aber ich würde Prudence Zutrauen, ihn ermorden und die Leiche in
den Sarg stecken zu lassen, um meine Fernsehkarriere zu ruinieren!«
»Prudence?«
»Meine
Zwillingsschwester. Wir sind völlig gegensätzliche Naturen.«
»Sie
sagten, Sie hätten Howard seit der sechs Monate zurückliegenden Scheidung nicht
mehr gesehen?«
»Richtig.«
»Zahlten
Sie ihm einen hohen Unterhalt? Das ist doch jetzt Mode?«
»Keinen
Cent!« sagte sie mit unendlicher Genugtuung. »Keinen einzigen verdammten Cent.«
»Schade
um das schöne Motiv«, sagte ich niedergeschlagen. »Wo treffe ich Ihre
Zwillingsschwester?«
»Im
Dach-Appartement«, sagte sie. »Sie hat es mir weggeschnappt. Sie war drei
Minuten eher da als ich, das Luder!«
»Vielleicht
sollte ich mal mit ihr sprechen«, meinte ich.
»Ein
guter Gedanke, Leutnant, und ich kann meinen unterbrochenen Schlaf fortsetzen.«
»Das
sei Ihnen unbenommen«, sagte ich. »Die Sandmännlein werden schon ungeduldig.«
Ich stand auf und ging zur Tür. »Welches Verhältnis besteht zwischen Ihnen und
Bruno?« fragte ich, indem ich mich zu ihr umwandte.
»Ausschließlich
geschäftlicher Natur«, sagte sie. »Sein Steckenpferd sind japanische
Blumenarrangements, Leutnant. Für mich ist er zu rotblütig!«
»Das
glaube ich gern«, sagte ich höflich. »Das Dach-Appartement, sagten Sie doch?«
»Ganz
recht«, nickte sie. »Und passen Sie gut auf, daß Prudence Sie nicht ihrer
Sammlung einverleibt, Leutnant.«
»Welcher
Sammlung?«
»Das
werden Sie schon merken!«
Neben
der Tür saß ein massiv-bronzener Buddha auf seinem Podest. Ich blieb neben ihm
stehen und rieb ihm mit den Fingern den gewaltigen Bauch. »Haben Sie ihn wieder
auf Diät gesetzt?« fragte ich sie.
Ich
trat auf den Gang hinaus und ging zu den Aufzügen. Dreißig Sekunden später war
ich oben vor dem Dach-Appartement, dessen Tür sogar mit einem Klopfer versehen
war. Ich klopfte, und die Tür wurde fast unmittelbar darauf von einer leckeren
Brünetten geöffnet. Wir beäugten uns mit gegenseitigem Interesse. »Sie habe ich
schon mal irgendwo gesehen«, sagte ich.
Ihre
üppigen Lippen verzogen sich langsam zu einem Lächeln. »Eine sehr originelle
Einführung — was verkaufen Sie, Schuhbänder?« fragte sie trocken.
Da fiel
der Groschen bei mir. »Sie waren die exotisch aussehende Brünette unter der
Zuschauern, die gestern nacht im Fernsehstudio Bruno und Brunhild zusahen«,
sagte ich. »Sie müssen Prudence Calthorpe sein.«
»Vielleicht«,
sagte sie. »Aber ich brauche nichts.«
»Ich
bin Leutnant Wheeler«, sagte ich. »Vom Büro des Sheriffs.«
»Wie
schön für Sie«, bemerkte sie. »Bleiben Sie nicht zu lange im Regen stehen,
Leutnant. Sie machen den Eindruck einer dieser anämischen Typen, die sich leicht
erkälten.« Sie wollte die Tür schließen, aber in einer
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