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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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zurück in den Tunnel und kam kurz darauf mit einem Rohr zurück, das er durch die Speichen des Rades schob. Er stemmte sich dagegen, mit einem Quietschen drehte sich das Rad, und die Luke schwang auf.
    Dahinter war ein senkrechter Schacht mit einer Leiter, die hinunterführte. Tifty förderte eine Signalfackel zutage, riss den Zündkopf an und warf sie in das Loch. Dann stieg er als Erster hinunter, gefolgt von Vor, Dee und Boz. Cruk bildete die Nachhut.
    Sie gelangten in eine weite Röhre. Ein Ablaufrohr, eines von sechsen. Durch diese Rohre wurde einmal täglich Wasser aus dem Staubecken abgelassen und auf die Felder geleitet. Hinter ihnen lagen viele Millionen Liter Wasser, die vom Damm gehalten wurden. Die Luft war kalt und roch nach Stein. Ein Wasserrinnsal rieselte über den Boden zur Öffnung hin, die als Himmelsscheibe im fahlen Mondlicht sichtbar war. Sie schlichen sich darauf zu, weg vom Licht der Signalfackel, die Tifty hier heruntergeworfen hatte. Vorhees’ Herz klopfte in der Brust. Die Welt der Nacht, draußen vor der Mauer: Das war unvorstellbar. Drei Schritte vor der Öffnung sank Tifty in die Hocke, und die anderen taten es ihm nach. Ein schweres Stahlgitter verschloss den Auslass.
    » Ich gehe als Erster«, flüsterte Tifty.
    Auf Händen und Knien kroch er zum Ende des Tunnels. Alle andern verhielten sich mucksmäuschenstill. Coffees Camp zu sehen war in Vorhees’ betrunkenem Kopf zur Nebensache geworden. Das hier war eine reine Mutprobe, deren Gegenstand ganz ohne Belang war. Das Gitter war stark genug, um einen Viral am Eindringen zu hindern. Trotzdem rechnete Vorhees halb damit, dass gleich eine Klauenhand hereinlangen und ihren Freund packen und in Stücke reißen würde. Durch die Reste des Alkdunstes kam ihm der Gedanke, Dee müsse ebenfalls Angst haben, und er könne sie vielleicht irgendwie beruhigen, aber er wusste nicht, was er sagen sollte, und so ließ er es sein.
    Tifty richtete sich an der Tunnelmündung auf den Knien auf, umfasste die Gitterstäbe und spähte hinaus.
    » Was siehst du?«, flüsterte Cruk.
    Nach einer kurzen Pause antwortete ihr Freund mit zwei Worten. » Heilige… Scheiße.«
    Mit dem Tonfall stimmte etwas nicht, bemerkte Vorhees. Das war kein Ausruf angesichts einer Entdeckung. Das klang nach plötzlicher Angst.
    » Was ist denn?«, zischte Cruk ein bisschen rauer. » Ist Coffee da?«
    » Ich will auch rausgucken!«, rief Boz.
    » Leise!«, fauchte Cruk. » Tifty, verdammt, was ist los?«
    Vorhees spürte es in den Knien. Ein Rumpeln wie von Donner, gefolgt vom Kreischen eines Metallgetriebes, das ineinandergriff. Das Geräusch kam von hinten.
    Tifty sprang auf. » Raus hier!«
    Es war Wasser. Das Geräusch, das Vorhees hörte, war Wasser, das aus dem Staubecken abgelassen wurde. Erst durch ein Rohr, dann durch das nächste und das übernächste, eins nach dem andern. Und das war es, was Tifty gesehen hatte.
    Sie würden hier zerschmettert werden.
    Vorhees richtete sich auf und packte Boz beim Arm, um ihn fortzureißen, aber der Junge zappelte und riss sich los.
    » Ich will ihn sehen!«
    » Da draußen ist nichts!«
    Die Stimme des Kleinen klang brüchig, als ihm die Tränen kamen. » Doch, da ist was, da ist was!«
    Boz rannte zur Öffnung. Tifty und die andern stürzten bereits zur Leiter. Das Donnergrollen war näher gekommen; die benachbarte Röhre war geöffnet worden, und ihre würde die nächste sein. Noch ein paar Sekunden, und eine Wand aus Wasser würde gegen sie prallen. An der Tunnelmündung packte Vorhees seinen Bruder um die Taille, doch der Junge klammerte sich am Gitter fest.
    » Ich sehe ihn! Das ist Coffee!«
    Vorhees zog mit aller Kraft, und beide landeten auf dem Boden. Kommt schon! Kommt!, schrien die andern. Vorhees nahm seinen Bruder bei der Hand und rannte los. Cruk hing unten an der Leiter und winkte ihnen zu. Vorhees fühlte, wie der Druck seine Trommelfelle knacken ließ, und ein eiskalter Wind schlug ihm ins Gesicht. Cruk verschwand auf der Leiter nach oben, und Vorhees fing an zu klettern. Sein Bruder war dicht hinter ihm.
    Dann war das Wasser da.
    Es traf ihn wie eine Faust, wie hundert Fäuste, wie tausend. Unter ihm schrie Boz vor Entsetzen. Es gelang ihm, sich an der Leiter festzuhalten, aber mehr konnte er nicht tun; wenn er auch nur mit einer Hand losließe, würde er davongerissen werden. Das Wasser drang ihm in Nase und Mund. Er wollte seinen Bruder rufen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Das ist also das Ende, dachte

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