Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Kinderkram.«
» Das war es vielleicht damals. Und du weißt, wie ich dazu stehe– nach dem, was mit Boz passiert ist. Aber sieh dir mein Leben an, Vor. Ich habe nie geheiratet. Ich habe keine Familie. Worauf soll ich noch warten?«
Plötzlich ging ihm ein Licht auf. » O Gott. Du hast schon unterschrieben, nicht wahr?«
Cruk nickte. » Ich habe gestern meinen Abschied bei der DS eingereicht. Offiziell ist es aber erst, wenn ich den Eid abgelegt habe.«
Vorhees war wie vom Donner gerührt.
» Hör zu, sag Dee nichts«, drängte Cruk. » Das will ich selbst tun.«
» Sie wird es nicht gut aufnehmen.«
» Ich weiß. Darum sage ich es dir zuerst.«
Ein Pick-up kam auf der Wirtschaftsstraße herangefahren und unterbrach ihr Gespräch. Der Wagen fuhr auf den Sammelplatz und hielt vor dem Sonnendach. Tifty stieg aus, ging nach hinten und ließ die Heckklappe herunter.
» Was hat er da?«
Es waren Wassermelonen. Alles drängte sich um den Wagen, und Tifty fing an, sie aufzuschneiden und dicke, tropfende Scheiben an die Kinder zu verteilen. Wassermelonen! Was für eine Köstlichkeit an einem Tag wie diesem!
» Himmel noch mal«, stöhnte Vorhees, als er die Aufführung sah. » Wo hat er die bloß wieder her, verdammt?«
» Wo hat Tifty all den Kram her? Aber eins muss man dem Kerl lassen: Ohne Freunde wird er nicht sterben.«
» Hab ich das gesagt?«
Cruk sah ihn an. » Du brauchst ihn nicht zu mögen, Vor. Das habe ich nicht zu bestimmen. Aber er gibt sich Mühe. Das muss man ihm lassen.«
Die Tür an der Treppe öffnete sich, und Dee kam zu ihnen und brachte zwei Teller mit. Auf jedem lag eine rosarote Melonenscheibe.
» Tifty hat…«
» Danke. Haben wir gesehen.«
Sie machte ein langes Gesicht, und Vorhees kannte diesen Ausdruck nur zu gut. Lasst es gut sein. Bitte, wenigstens heute. Es sind doch nur Wassermelonen.
Cruk nahm ihr die Teller ab. » Danke, Dee. Das tut wirklich gut. Sag Tifty vielen Dank.«
Sie warf Vorhees einen Blick zu und schaute dann wieder ihren Bruder an. » Mach ich.«
Vorhees wusste, er sah aus wie ein schmollender Idiot, und er wusste auch, wenn er jetzt nicht etwas sagte und das Thema wechselte, würde er dieses ärgerliche Gefühl für den Rest des Tages nicht mehr loswerden.
» Was machen die Kinder?«
Dee zuckte die Achseln. » Siri schläft wie ein Stein. Nit ist mit Ali und ein paar anderen losgezogen. Sie wollen Blumen pflücken.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. » Wollt ihr wirklich noch mal da hinaus? Ich weiß nicht, wie ihr das aushaltet. Vielleicht solltet ihr warten, bis die Sonne ein bisschen tiefer steht.«
» Dazu ist zu viel zu tun. Mach dir um mich keine Sorgen.«
Sie betrachtete ihn noch einmal kurz. » Na ja, wie gesagt. Kann ich dir noch was bringen, Cruk?«
» Nichts, danke.«
» Dann lasse ich euch allein.«
Als Dee gegangen war, hielt Cruk ihm einen der beiden Teller entgegen. Aber Vorhees schüttelte den Kopf.
» Ich passe. Danke.«
Der große Mann zuckte die Achseln. Er schlang seine Scheibe herunter, und der Saft floss in Strömen an seinem Kinn herunter. Als nur noch die Schale übrig war, zeigte er auf den zweiten Teller, der auf der Brüstung stand. » Was dagegen?«
Vorhees hob nur stumm die Schultern. Cruk verspeiste auch das zweite Stück, wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht ab und warf die Schalen über das Geländer.
» Du solltest es Dee bald sagen«, meinte Vorhees.
Drei Uhr, langsam schwand der Tag dahin. Am späten Vormittag war ein leichter Wind aufgekommen, jetzt war die Luft allerdings wieder still. Unter dem Sonnensegel spielte Dee halbherzig eine Partie Karten mit Cece Cauley. Der kleine Louis lag in seinem Korb zu ihren Füßen. Er war ein molliges, gutmütiges Baby mit dicken Fingern, dicken Zehen und einem weichen Schnullermund. Trotz der Hitze war er den ganzen Tag über kaum unruhig gewesen, und jetzt schlief er tief und fest.
Dee erinnerte sich an diese Zeit, an die Baby-Zeit. Daran, wie sie sich anfühlten, so unverwechselbar, an die Geräusche und Gerüche und an das Gefühl einer tiefen körperlichen Bindung, als wäre man eins mit dem Baby. Viele Frauen beklagten sich darüber– ich habe nicht einen Augenblick für mich, ich kann’s nicht erwarten, dass sie endlich laufen kann! –, aber Dee hatte es nie so empfunden. Gern hätte sie noch eins bekommen, vielleicht sogar zwei. Ein Sohn wäre schön, dachte sie. Aber die Regel war eindeutig: Zwei und keins mehr, so hieß es. Die
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