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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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er. Ein Fehler, und alles war vorbei. Es war so einfach. Warum starben Leute nicht öfter so? Aber sie taten es, erkannte er, als sein Griff an der Leitersprosse sich zu lockern begann.
    Es war Cruk, der ihn hochzog. Cruk, der für immer sein Freund sein würde. Der eines Tages neben ihm stehen würde, wenn er Dee heiratete, und der seine Kinder bewachen würde, als alle ihre Kinder zu einem Sommerpicknick auf das Feld hinausbrachten. Der mit ihm in die letzten Schlachten ihres Lebens ziehen würde, viele Meilen weit entfernt, viele Jahre in der Zukunft. Als Vorhees’ Hände sich lösten, langte Cruk herunter, bekam sein Handgelenk zu fassen und riss ihn hoch. Ehe Vorhees sichs versah, kletterten sie im Schacht hinauf und in Sicherheit.
    Nur Boz nicht. Der Leichnam des Jungen würde am nächsten Morgen geborgen werden, zerquetscht am Gitter. Vielleicht hatte er Coffee gesehen, vielleicht auch nicht. Tifty sagte es ihnen nie. Mit der Zeit kam Vorhees zu dem Schluss, dass es auch nicht darauf ankam. Selbst wenn er ihn gesehen hatte, war das kein Trost.
    Als Vorhees gegen Mittag eine Pause ausrief, hatte die Entfahnungsmannschaft sechseinhalb Hektar abgearbeitet. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Sogar die Kinder hatten sich unter das Sonnensegel zurückgezogen, nachdem sie den Vormittag über gespielt und gelacht hatten. An der Pumpe nahm Vorhees den Hut ab, ließ einen Becher volllaufen und trank ihn leer. Dann füllte er ihn noch einmal und goss sich das Wasser über das Gesicht. Er zog das schweißnasse Hemd aus und wischte sich damit ab. Allmächtiger, was für eine Hitze.
    Die Frauen und die Kinder hatten schon gegessen. Die Arbeiter versammelten sich an dem Tisch unter dem Sonnendach zum Lunch: Brot und Butter, hartgekochte Eier, Pökelfleisch, Brocken von Käse und Krüge mit Wasser und Limonade. Cruk kam vom Turm herunter und lud seinen Teller voll. Tifty war nirgends zu sehen. Na und? Tifty konnte tun, was er wollte. Sie langten herzhaft zu, ohne zu reden. Bald würden sie alle im Schatten dösen.
    » Eine Stunde«, sagte Vorhees und stand auf. » Macht es euch nicht zu gemütlich.«
    Er stieg die Treppe zum Turm hinauf. Cruk war schon wieder oben und suchte die ferne Baumkulisse mit dem Fernglas ab. Sein Gewehr lehnte am Geländer.
    » Was Interessantes da draußen?«
    Cruk antwortete nicht sofort. Er reichte Vorhees das Fernglas. » Auf sechs Uhr, zwischen den Bäumen. Sag mir, was das ist.«
    Vorhees schaute hinüber. Da war nichts, er sah nur Bäume und dahinter die trockenen braunen Hügel.
    » Was glaubst du denn, was du da gesehen hast?«
    » Ich weiß es nicht. Was Glänzendes.«
    » Was Glänzendes? Wie Metall?«
    » Ja.«
    Nach einer Weile ließ Vorhees das Fernglas sinken. » Na, jetzt ist es nicht mehr da. Vielleicht war es nur ein Reflex von der Sonne im Objektiv. Das Licht hier draußen ist ziemlich grell.«
    » Das wird’s gewesen sein.« Cruk nahm einen Schluck Wasser aus seiner Flasche. » Wie läuft’s da unten?«
    » Sie werden bald alle schlafen. Von den Kindern liegen schon viele flach. Ich glaube, niemand hat damit gerechnet, dass es so heiß werden würde.«
    » Juli in Texas, Bruder.«
    » Gunnar wollte wissen, ob er helfen kann. Der Junge hat ein großes Herz und einen kleinen Verstand.«
    Cruk nahm sein Gewehr in die Hand. » Was hast du ihm gesagt?«
    » Lass gut sein, hab ich gesagt. Eines Tages wirst du begreifen, wie verrückt das ist.«
    Cruk lachte. » Aber wir waren genauso. Konnten es nicht erwarten, in die Welt hinauszukommen.«
    » Du vielleicht nicht.«
    Cruk schwieg einen Moment lang und schaute über das Geländer. Vorhees spürte, dass seinen Freund etwas beunruhigte, und es war nicht nur das glänzende Etwas zwischen den Bäumen.
    » Hör zu«, fing Cruk an, » ich habe eine Entscheidung getroffen, und ich wollte, dass du es von mir erfährst. Du weißt, es wird davon geredet, die Expeditionstruppe wieder zusammenzustellen.«
    Vorhees hatte diese Gerüchte auch gehört. Das war nichts Neues; solche Gerüchte gab es immer. Seit Coffee und seine Leute– vor wie vielen Jahren?– verschwunden waren, war das Thema nie ganz untergegangen.
    » Davon reden sie immer.«
    » Aber diesmal ist es nicht nur Gerede. Das Militär nimmt Freiwillige von der DS , und sie haben vor, eine Einheit von zweihundert Mann aufzubauen.«
    Vorhees schaute seinem Freund forschend ins Gesicht. Was wollte er ihm sagen? » Cruk, das kann doch nicht dein Ernst sein. Das war

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