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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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andere meinten, es sei eine Fabrik. Ein paar behaupteten, es sei überhaupt nichts und die Rotaugen hätten es sich nur ausgedacht, um die Flachländer zu beschäftigen. Nach einer vierten Hypothese, die in den letzten Monaten aufgekommen war, handelte es sich bei dem » Projekt« um einen Bunker für den Notfall. Sollte die geheimnisvolle Macht des Direktors, mit der er die Virals im Zaum hielt, irgendwann versagen, würde das Bauwerk der Bevölkerung Schutz bieten. Was immer es war, es schien vor der Vollendung zu stehen. Jeden Morgen bestiegen weniger Männer die Transporter; alle waren nicht mehr die Jüngsten, und die meisten arbeiteten schon seit Jahren dort.
    Aber nicht die Kräne hatten Jackies Aufmerksamkeit erregt. Als der Fünf-Tonner sich dem letzten Wachtposten näherte, sah Sara die beiden Wörter auf der Umfassungsmauer, die dort mit breiten, tropfenden Pinselstrichen in weißer Farbe geschrieben standen.
    BELLO LEBT !
    Zwei Flachländer tauchten langstielige Bürsten in Eimer mit Seifenlauge, um die Schrift abzuwaschen. Ein Kol stand neben ihnen mit einem Gewehr quer vor der Brust, was ungewöhnlich war, denn die Kols trugen meistens nur Schlagstöcke. Er machte ein finsteres Gesicht, als der Transporter vorbeifuhr, und für einen eisigen Moment trafen sich seine und Saras Blicke. Sie schaute weg.
    » Fisher, siehst du da irgendwas Interessantes?«
    Die Stimme gehörte einem der beiden Kols, die hinten auf dem Laster mitfuhren, einem schlanken Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren namens Vale.
    » Nein, Sir.«
    Während der letzten fünf Minuten der Fahrt hielt sie den Blick fest auf den Boden gerichtet. Bello, dachte Sara. Wer war Bello? Der Name, öffentlich selten ausgesprochen, besaß eine beinahe beschwörende Kraft: Bello, der Anführer der Rebellion, der auf Märkten und in Polizeiwachen und Wachtposten Bomben explodieren ließ und der mit seinen unsichtbaren Kameraden geisterhaft durch das Homeland schwebte und zerstörerische Waffen zündete. Sara begriff, dass die Worte auf der Mauer so etwas wie eine Verhöhnung waren. Wir waren hier, sagten sie, wir haben gestanden, wo ihr jetzt steht, und wir sind überall unter euch. Bellos Methoden waren durch eine beinahe unfassbare Grausamkeit gekennzeichnet. Seine Ziele waren überall da, wo die Kols sich versammelten, sein Programm war Mord und Verwirrung, und wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort war, hatte man einfach Pech. Irgendein Mann, eine Frau oder, wie es mehr als einmal berichtet worden war, ein Kind von nicht einmal zehn Jahren schlug seine Jacke auseinander und offenbarte Reihen von Dynamitstangen, auf die Brust gebunden, und das war das Ende. Und im letzten Augenblick, wenn ihr Daumen den Zünder betätigte und sie selbst und jeden anderen im Radius der Sprengung ins Jenseits beförderte, sprachen sie zwei Worte: Bello lebt.
    Vor der Produktionsanlage hielten sie an und stiegen aus. Ein Geruch wie von Hefe hing in der Luft. Vier weitere Laster mit Arbeitern rollten hinter ihnen an. Sara und Jackie waren bei den Mühlen eingeteilt wie die meisten anderen Frauen auch. Warum das so war, hatte Sara nie verstanden; die Arbeit war nicht mehr und nicht weniger mühsam als alles andere, aber so hielt man es eben. Mais wurde zerrieben und dann mit Pilzenzymen gekocht und fermentiert, um daraus Treibstoff zu machen. Der Geruch war so intensiv, dass er in Saras Haut eingedrungen war, doch sie musste zugeben, dass es schlimmere Jobs gab: die Versorgung der Schweine oder die Arbeit in der Müllverarbeitung oder in den Jauchegruben. Sie stellten sich in einer Reihe auf, um sich beim Vormann zu melden, banden sich ihre Tücher vor das Gesicht und gingen durch die weite Halle zu ihren Arbeitsplätzen. Der Mais lagerte in großen Bottichen mit Schüttstutzen am unteren Rand; an diesen Stutzen füllten sie jeweils einen Scheffel und schütteten ihn in die Mühlen, wo die Körner unter kreisenden Mühlrädern zu Mehl vermahlen wurden. Die dabei freigesetzte Feuchtigkeit aus dem Mais bildete eine leimige Paste, die sich an den Innenwänden des Mahlwerks festsetzte, und die Aufgabe der Maschinenarbeiterin bestand darin, sie wieder abzulösen, was große Geschicklichkeit und Flinkheit erforderte, denn die Mühlräder hörten ja nicht auf, sich zu bewegen. Die Kälte trug das Ihre dazu bei; sie machte selbst die einfachsten Bewegungen schwerfällig und unpräzise.
    Sara ging an die Arbeit. Der Tag, der sich vor ihr auftürmte, würde in einer Art

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