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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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und es klingt immer ein Pfeifen mit, wenn er spricht, so als säßen ihm die Zähne verkehrt im Mund.
    »Was meinste?«
    Raoul wirft ihr einen Blick zu.
    »Hab vorhin den Mann mit eim von euern Jungs vorbeigehn sehn, dem Kleinen mit dem Päckchen.« Er beobachtet, wie sie den Eimer in den Brunnen fallen lässt. »Pass bloß auf, Baz. Nicht, dass Fay dich auch noch weggibt. Dann musste auf’m Berg schuften.«
    Baz hat den »Berg« noch nie gesehen, aber sie weiß, dass es weit und breit keinen schlimmeren Ort gibt. Dieser Berg liegt irgendwo auf der anderen Seite des Flusses, ein riesiger Hügel voll stinkendem Müll. Wer dort arbeitet, endet irgendwann auch als Müll.
    »Fay gibt überhaupt nix weg«, sagt Baz automatisch. Sie rüttelt ein bisschen am Eimer, damit er sich füllt. »Paquetito hat sich den Ärger selber aufgehalst.« Sie muss sich allerdings fragen, ob das auch wirklich stimmt.
    »Schon klar.«
    Lucien zieht sich in seine schattige Ecke zurück, wo er den Tag verbringt. Baz holt vorsichtig den Eimer ein, während Raoul am Brunnenrand lehnt, vor sich hin summt und nach unten blickt. »Also der Typ«, sagt er, »von dem ich erzählt hab, dass ich Paquetito mit ihm hab reden sehn, den hab ich noch mal gesehn, gleich nachdem wir bei Mama Bali was getrunken ham. Der war ’n Stück weiter die Gasse runter. Könnt einer vom College sein, hatte ’ne richtig fette Uhr am Arm und feine Klamotten an. Keine Ahnung, was der hier zu suchen hat, kriegt mit den Klamotten hier eh bloß Stress. Ich wär beinah hin zu ihm und hätt’s ihm gesagt.«
    Baz wirft ihm einen erstaunten Blick zu. »Bist dann aber doch nicht?«
    »Nee! Meinste, ich bin so’n Spatzenhirn wie Giacomo?« Er grinst, dann wird er wieder ernst. »Ich hab mich gefragt, ob der Typ nach irgendwas sucht, Baz, vielleicht sogar nach uns. Bin ihm dann nach, um zu sehn, was er vorhat. Und weißt du, wo er dann hin ist?«
    Baz schüttelt den Kopf.
    »Zu Moro – in die Slow Bar. Ist da reinspaziert, als hätt er Geschäfte dort.«
    »Kann schon sein. Aber ich sag dir was – hier kommt keiner her und sucht nach uns, höchstens er kriegt mit, dass du mit deinen dicken Patschern in fremde Taschen langst.« Aber plötzlich durchzuckt sie ein böser Gedanke. Es kann doch wohl nichts mit dem gelben Hut zu tun haben? Es kann doch wohl nicht schon jemand eine Spur ins Barrio erschnüffelt haben? Baz hofft, dass der Ring, der so verheißungsvoll schien, nicht am Ende noch Unglück bringen wird.
    Raoul lacht. Gleich darauf fragt er: »Wo kommt Paquetito wohl hin? Meinst du, Lucien hat recht? Moro lässt sie alle zum Berg schaffen?« Er erschaudert. Baz gibt keine Antwort. »Hab in meiner Zeit schon drei gehn sehn«, fährt Raoul nach einer Weile fort. Er schaut Baz zu, wie sie neben dem Eimer hockt und sich Hände und Arme wäscht. »Keiner sagt, wo sie hinkommen.«
    Baz steht auf und blickt in den Brunnen. Die Luft riecht nach Erde und feuchtem Stein.
    »Fay will nicht drüber reden«. Tatsache ist, dass auch Demi und Baz nie darüber reden, weder miteinander noch mit sonst jemandem.
    »Ich find, jeder sollte für den andern da sein. Oder was sagst du, Baz?«
    »Sowieso.« Für Demi ist sie immer da.
    Er hilft ihr, den Eimer vom Brunnenrand zu heben, dann lässt sie den zweiten hinunter. Wieder hören sie das hohle Aufklatschen und dann das leise Gluckern, als der Eimer sich füllt.
    »Ehrlich, Baz. Ich schwör’s – niemals lass ich zu, dass Fay dich wie Paquetito an einen von Señor Moros Typen weggibt. Versprichste, dass du das auch für mich tust?«
    Er lächelt, denn Raoul lächelt immer, aber seine Augen sind jetzt so voller Sorge, dass Baz ganz überrascht ist. »Ich versprech’s«, sagt sie.
    Raoul lacht wieder. Dann greifen sich die beiden die Eimer und machen sich auf den Rückweg.
    Später, in der Bude, bleibt Baz für sich, hilft Fay beim Essenmachen und anschließend beim Aufräumen, aber dann, als die Jungen herumsitzen, miteinander reden und in den ramponierten Fernseher schauen, den sie in der Ecke aufgehängt haben, schleicht sie sich davon. Aus irgendeinem Grund hat sie ein ungutes Gefühl, ein Gefühl, wie sie es noch nie hatte, so weit sie zurückdenken kann. Alles kommt von Raouls Gerede über den jungen Mann und vielleicht auch von dem, was Lucien gesagt hat, als er meinte, der kleine Paquetito würde auf dem Berg enden. Jetzt muss Baz wieder einmal an die Hand denken, die sie losgelassen hat, sodass sie allein in der Dunkelheit

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