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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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gibt einen Knall. Ein schrilles Aufheulen des Motors, die Maschine bricht nach links, dann, weil der Fahrer zu stark korrigiert, nach rechts aus. In Panik reißt er an der Vorderbremse, wodurch das Hinterrad so weit hochgeschleudert wird, dass die Maschine einen Purzelbaum schlägt und dann auf der Seite über den Boden schlittert.
    Als sie den Aufprall hört, wirbelt Baz herum und sieht, wie Demi das Gewehr aufsammelt. Der Fahrer liegt auf dem Bauch, einen Arm von sich gestreckt. Sie fragt sich, ob er tot ist, doch gleich darauf, sie ist noch gar nicht ganz bei den beiden angekommen, hat der Mann bereits den Kopf gehoben und starrt aus blutverschmiertem Gesicht voller Wut Demi an, der über ihm steht und ganz unaufgeregt die Mündung des Gewehrs auf ihn richtet. Der Motor der Maschine läuft noch immer, das Hinterrad dreht sich und wirbelt Sand und kleine Steine in die Luft. Baz stellt den Motor ab und steckt den Schlüssel in die Tasche.
    Die Stille ist eine Wohltat. Als richtig laut empfindet sie jetzt das abgehackte Keuchen des Mannes, der sich Stück für Stück unter seiner Maschine hervorarbeitet und dabei die ganze Zeit vor sich hin flucht.
    »Das reicht«, sagt Demi, als der Mann sich befreit hat. »Jetzt keine Bewegung mehr.«
    »Wenn du schießt«, keucht der Mann, »steckst du verdammt in der Klemme.«
    »Wenn ich schieße, bist du ’n toter Haufen Dreck«, sagt Demi. »Glaubst du, ich scher mich um irgendwelche Freunde von dir? Glaubst du, die schern sich um dich? Wenn du das denkst, biste noch blöder, als du aussiehst.«
    Baz macht die Werkzeugtasche auf und zieht ein langes Ende dünnen Draht sowie ein paar ölige Stofffetzen heraus. Gemeinsam fesseln sie den Mann an Armen und Beinen, dann nehmen sie ihm den Gürtel ab, um auch noch die Fußgelenke zusammenzubinden. Seine Verwünschungen ignorieren sie. Baz versucht auch das Zittern ihrer Hände zu ignorieren.
    Im Handumdrehen liegt der Mann zusammengeschnürt auf der Seite. Er ist so wütend, dass man die Vene an seiner Schläfe pulsieren sieht. Demi bleibt ganz cool, sagt ihm, wenn er die Absicht habe, rumzuschreien, dann würden sie ihm einen dreckigen Lappen ins Gesicht stopfen müssen, also solle er lieber mal’n bisschen nachdenken, anstatt hier die ganze Zeit zu schimpfen und zu fluchen und schlechte Wörter in den Mund zu nehmen.
    »Ich schrei. Darauf kannst du wetten, dass ich schrei«, zischt der Mann. »Ich schrei, und dann reiß ich dir den Kopf ab, du Barrio-Abschaum. Ich kenn dich.«
    »Du kennst mich nicht«, sagt Demi, »aber ich will jetzt nichts mehr von dir hörn.« Als er dem Mann das Gewehr an den Mund drückt, zuckt Baz zusammen. Dies ist ein Demi, wie sie ihn noch nie erlebt hat, knallhart, vielleicht genauso böse wie die anderen. Der Mann verstummt. »Okay, jetzt mach den Mund wieder auf.« Der Mann gehorcht. »Knebel ihn«, sagt Demi zu Baz.
    Sie knüllt einen der Stofflappen zusammen und stopft ihn zwischen seine Lippen. Dann bindet sie ihm einen zweiten Lappen als Knebel um den Mund. Vor lauter Wut quellen dem Mann fast die Augen aus dem Gesicht, aber er hält still, den Blick immerzu auf den Lauf des Gewehrs gerichtet. »Das ist doch sehr viel besser als die Kugel, die du uns verpassen wolltest, würd ich meinen«, sagt Demi zu ihm.
    Anschließend schleifen sie ihn zum Graben und rollen ihn hinein. Während Demi die Werkzeugtasche auskippt, um nach Drahtscheren zu suchen, läuft Baz zurück zum Zaun, wo das Mädchen und der Junge mit dem fehlenden Finger neben Raouls reglosem Körper stehen und sie beobachten. Baz hat es furchtbar eilig, rennt schneller als je zuvor. Sie können es schaffen. Sie können ihn aufs Motorrad packen, ihn in die Stadt bringen, ein bisschen saubermachen. Bisschen Medizin geben. Mama Bali weiß bestimmt Rat.
    Sie schlägt gegen den Draht und starrt dann auf Raouls ausdrucksloses Gesicht. Eine halbe Sekunde später ist Demi neben ihr, macht sich am Zaun zu schaffen. Trennt eine Drahtmasche durch, dann die nächste. »He, Raoul«, sagt Demi. »Wir kommen dich holen. Gleich haben wir dich.«
    Aber sie bekommen ihn nicht.
    »Ihr kommt zu spät«, sagt das Mädchen. »Er ist tot. Wenn ihr ihn trotzdem mitnehmen wollt, nur zu. Wir ham auch ohne ihn genug hier.«
    »Was sagst du?« Wütend zerschneidet Demi eine weitere Masche. »Wir holn dich, Raoul.« Dann plötzlich wirft er die Drahtschere weg und wendet sich von dem zerfransten Loch ab, das er soeben gemacht hat.
    Baz greift durch den Riss im Zaun

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