Diebe
und berührt Raouls Hand. Vielleicht hat er noch begriffen, dass sie gekommen sind, ihn zu holen, dass sie ihn nicht so einfach aufgegeben haben.
Sie blickt hoch zu dem Mädchen. »Willst du mit uns kommen, hier durch den Zaun klettern, du und er?«
»Wo solln wir hin?«, sagt das Mädchen. »Hast du ’n Job für uns? Hast du irgendwas, wo wir wohnen können? Hast du was zu essen?«
»Komm, Baz.« Demis Stimme klingt ausgelaugt. »Die suchen bestimmt schon nach ihrem Mann und können jederzeit hier sein. Wir müssen weg.«
Baz hört nicht auf ihn. »Niemand sollte das tun, was ihr da tun müsst«, sagt sie zu dem Mädchen. »Kommt mit. Auf dem Motorrad. Du und der Junge. Ich kann laufen.«
»Wir ham Familie«, sagt sie. »Wir können nicht weg.« Sie und der Junge wenden sich ab und machen sich daran, Raoul wieder den Hang hinaufzuschleppen.
Da wendet sich auch Baz ab.
»Alles klar mit dir, Baz?« Demi wirkt besorgt. »Mehr kannst du nicht tun.«
Sie nickt, Demi nimmt ihre Hand und sie laufen stolpernd zurück zu dem Motorrad. Er richtet es auf und schwingt sich auf den Sitz. Es ist zu groß für ihn, aber er kommt damit zurecht, gibt ihr ein Zeichen, dass sie sich hinter ihn setzen soll. Er dreht den Zündschlüssel, tritt den Anlasser durch und dreht am Gas. Der Motor heult auf. »Halt dich fest, Baz.« Sie legt ihre Arme um seine Taille. Er lässt die Kupplung kommen, und sie machen einen Satz nach vorn, fast stürzen sie, aber dann hat er den Bogen raus, schaltet sich durch die Gänge. Sie rasen nicht, aber kommen gut voran auf dem holprigen Feld, finden Wege über den Graben und lassen den Berg immer weiter hinter sich.
»Werden sie uns folgen, Demi? Du hast diesem Fahrer erzählt, dass wir nach Raoul suchen. Du hast ihm unsere Namen gesagt. Das alles hier gehört Señor Moro. Die werden uns mit Fay in Verbindung bringen.«
Demi antwortet nicht. Kann sein, dass er sie nicht gehört hat. Baz glaubt aber eher, dass er einfach nicht über all die Probleme nachdenken möchte, die sie sich aufgehalst haben. Sie kann’s ihm nicht verdenken. Es ist ihre Schuld, dass sie hergekommen sind, um nach Raoul zu suchen. Sie klammert sich an Demi fest und schmiegt ihr Gesicht an seinen Rücken. Dieser Tag hat nichts Gutes gebracht, und das Schlimmste ist, dass er noch nicht mal vorbei ist: Heute Abend wartet noch der Job auf sie, den Polizei-Captain auszurauben. Aber das ist ja leicht, ganz furchtbar leicht, wie Fay und der Engelsjunge nicht müde wurden zu versichern. Leicht und locker werden sie geradewegs im Schloss landen – das ist es, was Baz denkt.
Sobald sie vom Betriebshof aus nicht mehr gesehen werden können, orientiert sich Demi in Richtung Hauptstraße. Dort angelangt, gibt er Gas, und dann brausen sie über die Schnellstraße auf die nördliche Brücke und die Stadt zu.
16
Die Sonne hängt tief über dem Fluss, als Baz und Demi den letzten Graben überqueren, der sie von der Bude trennt. Sie sind schweißgebadet, ihre Mägen rumoren vor Hunger und vielleicht auch vor Nervosität. Sie liegen gut in der Zeit, aber Fay ist schon ganz zappelig. Sie steht am Fenster, die letzten Sonnenstrahlen lassen ihr Haar aufflammen, ihr Gesicht ist blass und angespannt. Die ganze Bude riecht nach ihrem Tabak.
»Wo seid ihr gewesen, du und Baz? Ihr wisst, dass wir heut Abend noch was vorhabn«, sagt sie schroff, während sie sich einen weiteren schwarzen Zigarillo anzündet.
»In der Stadt«, sagt Demi. »Hab ich dir doch gesagt.«
»Lügst du mir auch nichts vor, Demi? Guck mich an.« Fay sagt immer, dass man es jedem ansehen kann, ob er lügt; man braucht ihm bloß ins Gesicht zu gucken.
»Wer könnt so blöd sein, dich anzulügen, Fay?«
»Baz?«, fragt sie.
Baz möchte Fay auf der Stelle erzählen, wie sie Raoul gefunden haben, wie krank, zerschunden und verängstigt er war und dass er jetzt tot auf einem stinkenden Müllberg liegt. Und sie möchte sie fragen, ob sie wusste, dass so etwas mit ihm passieren würde, als sie ihn von Moros Männern hat abholen lassen.
Aber sie tut es nicht.
»Zunge von ’ner Katze gefressen worden, Baz?«
»Warn oben in der Stadt. Ham nach dem Haus von heute Abend geguckt.«
»Habt ihr dann irgendwas vorzuzeigen?«, fragt sie.
»Geschäfte ham wir heute nicht gemacht.«
Fay blinzelt. Baz findet, dass sie einem weißgesichtigen Vogel ähnelt. »Warum seht ihr so mitgenommen aus? Seid dreckig und die Jeans sind ganz zerrissen. Macht den Eindruck, als wärt ihr aus der
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