Diebe
Eingangshalle mit Marmorfußboden, hoher Decke und viel Hall. Ein hässlicher langer Schalter mit Plastikabdeckung erstreckt sich auf der rechten Seite, dahinter sitzen drei Polizisten in Hemdsärmeln. Eine dicke schwarze Linie ist auf den Boden gemalt, hinter der Männer und Frauen anstehen. Hier gibt es keine lockere Unterhaltung, kein gegenseitiges Begrüßen. Man wartet, den Kopf gesenkt oder vor sich hin starrend, allein mit sich und seinen persönlichen Angelegenheiten. Und wenn man endlich vor den Schalter treten kann, beugt man sich vor und erläutert stammelnd sein Anliegen, worauf der gelangweilte Beamte, wie Baz beobachtet, mitunter etwas in dem Hauptbuch notiert, das er vor sich liegen hat.
Uniformierte schlendern mitten durch die Halle, plaudernd, rauchend, ohne das Publikum zu beachten, auf dem Weg zum Dienst auf der Straße oder aber zu einer der inneren Türen, vielleicht zu den Zellen oder den Verhörräumen.
Señora Dolucca erfasst die Lage mit einem kurzen Blick und schreitet, ohne die Warteschlange zu beachten, direkt auf den Schalter zu. Der Mann, der vorn an der Linie steht, tritt unter lautem Protest vor, macht Anstalten, sie zurückzudrängen. Leute drehen sich um, der Beamte blickt verärgert auf, sieht Señora Dolucca, sieht den schimpfenden Mann und drückt auf einen Summer auf dem Tisch. Augenblicklich kommen zwei Polizisten herbeigeeilt, nehmen den noch immer protestierenden Mann wortlos in die Mitte und befördern ihn unsanft nach draußen. Baz fragt sich, wie lange er wohl hier gestanden und gewartet hat, bis die Reihe an ihn kam. Was für ein Dummkopf, dieser Mann – jeder kann doch sehen, dass Señora Dolucca eine reiche und wichtige Frau ist. Was für einen Sinn hat es da also, sich über sie zu beschweren, ausgerechnet hier im Schloss? Er hätte es besser wissen müssen. Señora Dolucca wendet nicht einmal den Kopf.
»Señora, ja, kann ich Ihnen behilflich sein?« Der Beamte ist höflich, zeigt aber kein übertriebenes Interesse. Baz beobachtet, dass er an Señora Dolucca vorbei zum Ausgang blickt, wo der vertriebene Mann noch immer seine Empörung zum Ausdruck bringt und einer der Polizisten seinen Knüppel gezogen hat.
Ein Stück weiter am Schalter sieht Baz eine ältere Frau, die in ihrem Einkaufskorb stochert. Sie bringt ein, zwei Geldscheine zum Vorschein, zerknitterte Dollarnoten. Sie streicht sie glatt, als möge sie sich gar nicht von ihnen trennen, und schiebt sie anschließend dem mit ihr befassten Beamten zu, der sie, ohne ein Wort zu sagen, ins Hauptbuch legt und die Frau dann mit einer schroffen Handbewegung fortschickt.
»Mein Mann ist Captain Dolucca«, sagt Señora Dolucca.
Der Polizeibeamte ist plötzlich ganz Ohr. »Ja, Señora, entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht erkannt. Wir sind uns, glaube ich, auch noch nicht begegnet. Ich ...«
Señora Dolucca reißt ihre Tasche auf und zeigt ihm ihre Papiere.
»Natürlich, danke sehr, Señora. Bitte.« Er drückt auf den Summer, und für einen Sekundenbruchteil fragt sich Baz, ob er sie beide genauso rausschmeißen lassen will wie den protestierenden Mann, aber als ein anderer Beamter herbeigeeilt kommt, raunzt er diesem einen Befehl zu: »Stuhl, Eistee.« Und zur Gattin des Polizei-Captain sagt er: »Aber Sie hätten sich doch nicht herbemühen müssen, Señora. Ein Anruf oder ein Wort an Ihren Gatten ...«
»Ich möchte jemanden hier sprechen.«
»Ah, selbstverständlich, einen Beamten, aber auch hier hätte ein Anruf, es sei denn natürlich ...« Der Mann tut sich schwer zu begreifen, warum sie, eine der privilegiertesten Personen der Stadt, persönlich hier erschienen ist. Er blickt an ihr vorbei, bemerkt zum ersten Mal Baz.
»Letzte Nacht wurde ein Junge festgenommen ...«
Der Stuhl und der Eistee treffen ein und Señora Dolucca nimmt Platz. Den Tee ignoriert sie.
»So viele ...« Der Mann hebt entschuldigend die Hände, als sei er persönlich dafür verantwortlich, dass in dieser Stadt Straftaten begangen werden.
»Und er wurde angeschossen.«
»Vielleicht ist er tot, Señora ...«
Señora Dolucca ist keine sehr geduldige Frau. »Was ist das für Gerede? Jede Festnahme wird doch zu Protokoll genommen. Es geht hier um einen Vorfall vor meinem Haus. Mein Mann war auch damit befasst. Der Name des Jungen ist ...«
»Demi«, sagt Baz.
»Ah ja.« Der Mann notiert sich das und blickt wieder auf.
»So heißt er«, sagt Baz. »Ich glaube nicht, dass er noch einen anderen Namen hat.«
Der Mann nickt und
Weitere Kostenlose Bücher