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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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sie das Zimmer betritt. Baz hält den Atem an. Ein Deckenventilator rührt die stickige Luft auf. Die Gestalt stöhnt leise. Sie zögert, atmet noch einmal durch und bewegt sich dann lautlos auf das Bett zu.
    Noch immer kann sie nicht erkennen, ob er es ist oder nicht, da der Junge sein Gesicht dem verdunkelten Fenster zugekehrt hat. Sie streckt die Hand aus und berührt sanft, nur mit den Fingerspitzen, seinen Nacken. Der Junge regt sich, dreht den Kopf herum, und dann sieht sie die Umrisse seines Gesichts, das Weiße der Augen, die zur Decke hinaufblicken, zu dem langsamen Kreisen des Ventilators.
    »Demi!« Halb ist es ein Schrei, halb ein Flüstern. »Demi.« Sie berührt ihn nicht noch einmal, bleibt einfach dicht neben dem Bett stehen und sieht ihn an.
    Er dreht den Kopf noch etwas weiter zu ihr, und jetzt sieht sie dunkle Ringe unter seinen Augen, sein Gesicht wirkt verhärmt, seine Atmung ein bisschen unregelmäßig. »Baz«, sagt er, »bist gekommen, nach mir zu suchen.«
    »Was denkst du denn?«, sagt sie sanft, bemüht, ihre Besorgnis zu verbergen. »Muss doch kommen und dich finden – so’n dummen Jungen, der sich einfach schnappen lässt.«
    Und dann, zu ihrer Überraschung, grinst er und flüstert: »Dieses Mal ham sie mich vielleicht erwischt, aber sie ham mich nicht ins Schloss gesteckt. Und wenn ich will, hab ich ’n Deal, Baz – Freifahrtschein hier raus.«
    »Was! Alles nur gespielt – Verletzung und Schmerzen und alles?«
    »Teilweise. Die Kugel hat mich hier erwischt. Glatt durchgegangen.« Er fasst sich an den linken Arm und hievt sich zusammenzuckend zum Sitzen hoch. »Schätze, ich kann immer noch schneller laufen als du.«
    Sie möchte wissen, wer dieser andere Besucher war: Señor Moro? Die Polizei? Vielleicht der Captain selbst. Der Oberste der Greifer macht einen Deal mit einem Jungen aus dem Barrio. Könnte durchaus sein. Demi hat eine Menge zu erzählen.
    »Hast ’n Deal gemacht?«
    »Deal liegt auf’m Tisch. Wenn ich will, kann ich zugreifen. Gib mal ’n bisschen Wasser, Baz.«
    Sie reicht ihm das Glas. »Wer bietet dir ’n Deal an?«
    Er beugt den Kopf ein wenig zur Seite, nimmt einen Schluck und sieht dabei die vom Licht aus dem Flur umrahmte Gestalt der Señora Dolucca. »Wer ist das, Baz? Wen hast du mitgebracht?«
    »Die Frau des Captain, Demi. Sie hat mich hergebracht. Und ich hab ihr den Ring zurückgegeben, Demi.«
    »Sie weiß Bescheid?«
    »Sie weiß alles, bis auf eins.«
    Er sieht sie eine Weile an, ohne etwas zu sagen. Dann, in fast gleichgültigem Ton: »Du hast ihr den Ring gegeben. Du machst wohl Witze. Nach all den Scherereien, die ich damit hatte.«
    »Du machst nur allen andern Leuten Scherereien. Ich war’s doch, die durch die halbe Stadt rennen musste, um das Teil nach Hause zu bringen. Und dann musst ich noch mal das Gleiche tun, um dich zu finden.«
    »Mach die Jalousien auf, Baz. Man hat das Gefühl, hier ist es immer Nacht.«
    Sie geht und zieht die Holzjalousien auf, worauf helles Sonnenlicht durch das vergitterte Fenster flutet. Demi lehnt sich in seine Kissen zurück.
    »Du bist vielleicht ’ne Dummliese«, neckt er. Und dann, mit leiserer Stimme: »Und hast es gefunden, wo Fay ihre Schätze versteckt, ja? Die wird toben, wenn sie merkt, dass der Ring weg ist.«
    Baz zuckt mit den Schultern. Fay spielt in ihren Gedanken keine Rolle mehr, abgesehen davon, dass sie Demi von ihr weglocken muss, von ihr und der ganzen Gegend, denn im Barrio gibt es für sie kein Zuhause mehr.
    »Das also ist er?« Señora Dolucca ist neben Baz getreten. Sie hat ihre dunkle Brille wieder aufgesetzt. »Er ist noch ganz klein. Wie kommt ein kleines Kind wie du dazu, den Polizei-Captain der Stadt berauben zu wollen? Wer schickt dich los, so etwas zu tun?« Sie ist nicht verärgert, wie Baz genau erkennt, sondern ehrlich verblüfft.
    Demi schweigt für einen Moment, als müsse er Kräfte sammeln. »Ich bin gar nicht so klein«, sagt er. »Ich bin schnell und ich kenn mich in dieser Stadt gut aus.«
    »Als du das hier gestohlen hast«, sie hält den Ring hoch, »da wusstest du nicht, wer mein Mann ist, nicht wahr?«
    »Wenn Ihr Mann neben Ihnen steht, weiß ich, wer er ist, aber da war nur dieses dünne, kleine Mädchen mit den scharfen Augen – die war’s, die Sie dabeihatten.«
    »Ja.« Ihre Lippen kräuseln sich zu einem angedeuteten Lächeln, und Baz kann sehen, dass ihr dieser Junge gefällt, dieser Dieb, der sie bestohlen hat. »Und du hast dieses Mädchen hier. Ist

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